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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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Riesen dumm und langsam. Hrungnir aber war bekannt dafür, dass er schnell denken konnte, fast so schnell wie ein Gott. Daher konnte Odin auch nicht glauben, dass der Steinkoloss ihn nicht erkannt haben sollte. Ihn, den Göttervater!
    Hrungnir blickte den fremden Reiter eine Weile an, dann lachte er heiser. Weder sein Gesicht noch seine Augen lachten mit. »Willst wohl nicht antworten, Eindringling, was? Aber ein erstaunlich gutes Pferd hast du da.«
    Odin richtete sich im Sattel auf und räusperte sich:»Allerdings. Man könnte sogar sagen, ein göttliches Pferd. Sleipnir heißt mein Hengst. Und ich verwette meinen Kopf, dass es hier in Jötunheim kein anderes Pferd gibt, das sich mit Sleipnir messen kann.«
    Odin lächelte, der Riese aber lächelte auch, und Odin war es, als würde in Hrungnirs eisigen Augen etwas aufblitzen.
    »Dein Pferd ist schnell wie der Wind«, knurrte er. »Hahaha, aber, Mann mit dem Goldhelm, ich verrate dir was: Es sieht schlecht aus für deinen Kopf. Denn mein Pferd Gullfaxi überholt den Sturm.«
    Schneller als Sleipnir? Odin vergaß, weswegen er eigentlich nach Jötunheim gekommen war. Ruckartig wendete er sein Pferd und jagte über die Wolken davon. Hrungnir blickte ihm einen Riesengedanken lang nach, dann aber schwang er sich auf sein gigantisches Pferd Gullfaxi, was so viel heißt wie Goldmähne, und folgte dem achtbeinigen Hengst. Schnell, so schnell, noch schneller als der Sturmwind. Und Gullfaxis goldene Mähne glänzte wie ein dahinfliegender Pfeil.
    Zur selben Zeit stand Thor immer noch am Fenster von Odins Palast und blickte hinaus über die Weiten Asgards. Götter reisen schnell, aber von Odin fehlte weiterhin jede Nachricht. Keine besondere Wolkenform, kein Bote, keine Runenbotschaft und auch keiner von Odins Raben gaben Auskunft über den Erfolg der Reise. Thor hasste es zu warten, und noch mehr hasste er es, dass sein Vater die Angelegenheit mit den Riesen an sich gerissen hatte, während er, der Riesentöter, zu Hause bleiben musste wie ein Weib.
    »Thjalfi, hol die Böcke aus dem Stall und spann meinen Wagen an. Ich fahre auch zu den Riesen.«
    Gerade als der Knecht hinausgegangen war, um den Befehl seines Herren auszuführen, hörte Thor, wie Sleipnirs goldene Hufe genau vor den Toren Walhalls auf dem Boden aufsetzten. Einen Herzschlag später schnaubte auch noch ein zweites Pferd. Sofort griff Thor nach seinem Donnerhammer und eilte in den Hof.
    »Das ist Hrungnir, ein mächtiger Riesenfürst«, sagte Odin, »und er wird unser Gast sein. Ich äh ... Ich schenke ihm das Leben, denn es ist keine Schande, gegen den obersten der Götter zu verlieren.«
    Erstaunt ließ Thor die Waffe sinken, der Riese aber stieg von seinem schweißnassen Pferd und ging langsam auf Odin zu.
    »Du bist geflohen vor mir wie ein Feigling, Göttervater. Ein Feigling, wie es alle Götter sind.«
    »Hey, Riese.« Thor war näher getreten. »Einer von den göttlichen Feiglingen wird dir gleich das Haupt spalten.«
    Thor spürte, wie der Zorn in ihm aufwallte, wie sich seine Muskeln spannten. Mit der Anmut eines erfahrenen Kriegers schlich er auf Hrungnir zu. Anders als Odin war der Donnergott dem Riesen in Gestalt und Größe fast ebenbürtig. Plötzlich, blitzschnell fuhr der Riese herum und duckte sich, genau in dem Moment, als Thor den Hammer hob. Doch Loki hielt ihm den Wurfarm fest.
    »Du kannst ihn doch nicht hier in Asgard töten, noch dazu in Odins Haus«, beschwor er Thor. »Denk an das Gastrecht! Außerdem wäre es vielleicht ganz gut, wennwir erfahren würden, was bei den Riesen los ist. Also, steck den Hammer weg.«
    Benommen wich der Donnergott zurück. Noch nie, noch niemals hatte er eine Drohung nicht wahrgemacht. Als er den Hof mit raschen Schritten verließ, schloss er wütend die Finger um Mjöllnirs eisernen Schaft. Seit diesem Tag ist der Hammer am Griff etwas verbogen.
    Odin aber klopfte seinem Ziehsohn Loki anerkennend auf die Schulter.
    »Du bist wirklich klug. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, das hast du von mir.« Dann wandte sich Odin an den Riesen:
    »Hrungnir, wo du schon mal hier in Asgard bist, sollst du auch meine Gastfreundschaft genießen. Keiner soll sagen, Odin sei kleinlich.«
    Er führte seinen steinernen Gast in den prächtigsten Festsaal Walhalls und wies ihm einen Ehrenplatz zu. Dann rief er die anderen Götter zusammen und ließ Fleisch und Wein auftragen. Weil aber Hrungnir alle anwesenden Götter so sehr überragte, dass Möbel und

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