Die Nordischen Sagen
Geflüster erhob sich unter den Göttern.
»Ja, unser Freund hier stammt nicht von einem Gott ab. Ich kenne dein Geheimnis, Loki.«
Loki aber drückte Heimdalls ausgestreckten Finger sanft beiseite.
»Ich bin ein Halbriese, und ich habe niemals etwas anderes behauptet.«
Ein gleißender Blitz schlug neben Heimdall in den Boden.
Odins Gesicht war weiß vor Zorn, und seine Stimme grollte wie ferner Donner.
»Loki hat seine Göttlichkeit oft genug bewiesen. Schweig oder kehr auf deinen Wachtposten zurück. Sollen wir uns jetzt auch noch gegenseitig angreifen?«
Niemand wagte noch etwas zu sagen, und Odin fuhr fort: »Ich stelle ein Heer zusammen.«
»Ein Götterheer!«, rief Tyr, der Kriegsgott, grimmig und zog sein Schwert. »Wir werden kämpfen, wie es sich für Götter gehört.«
»Ja.« Odin blickte ärgerlich auf die Waffe, die Tyr nun mit seiner verbliebenen linken Hand halten musste. »Aber da ich nicht vorhabe zu unterliegen, brauchen wir eine große Armee. Außer uns Göttern werden auch Menschen darin kämpfen.«
»Menschen?« Thor kniff ungläubig die Augen zusammen, doch Odin ging gar nicht darauf ein.
»Tote Menschen. Einherjer. Sie sind unempfindlicher und leichter zu steuern. Ich bin der oberste Gott. Zu mir beten die Menschen um Kriegsglück. Wann immer es eine Schlacht gibt, werden die Besten sterben, und wenn der Kampf vorbei ist, werde ich sie zu mir nach Walhall holen.«
»Du willst über Schlachtfelder streifen, gefallene Krieger aufsammeln und nach Walhall bringen?«, fragte Frigg entsetzt. »Du, als Göttervater!«
Odin lächelte seiner Gemahlin beruhigend zu. »Nein, nicht ich selbst werde gehen, sondern meine Walküren«, sagte er.
Kaum hatte er das gesagt, erhob sich ein Rauschen in der Luft, als ob ein gewaltiger Sturm aufziehen würde, die Wolken teilten sich und gepanzerte Reiter brachendaraus hervor. Als sie neben der Ratsstätte landeten, sahen die Götter, dass die Reiter in Wahrheit Reiterinnen waren. Frauen, deren Körper so kräftig und gestählt waren, wie die eines Mannes. Frauen, in Waffenröcken und mit Brustpanzern. Unter ihren gefiederten Helmen wallte langes goldenes Haar hervor.
»Das sind meine gepanzerten Jungfrauen, sie kämpfen wie die Besten von euch«, sagte Odin stolz und deutete auf die kriegerischen Frauen. »Lobt Odins Weisheit, Götter!«
»Deine Walküren holen also Helden nach Walhall?«, fragte Frigg und blickte sich nach den Walküren um, die sich in einer Reihe unweit des Versammlungsplatzes aufgestellt hatten und auf weitere Befehle warteten. »Und was, mein Gemahl, werden all die gefallenen Helden hier in Walhall tun?«
»Sie werden kämpfen, wie sie es auch im Leben getan haben. Sie werden sich auf den letzten Kampf vorbereiten. Tyr, du kannst ein Auge auf sie haben. Sie werden tapfer sein, schmerzfrei und genügsam, denn sie sind ja tot. So, und nun reicht mir mein Trinkhorn, ich bin durstig.«
Gierig stürzte sich Odin auf den himmlischen Wein, die Fleischspeisen aber kippte der Einäugige wie gewöhnlich unter den Tisch und fütterte damit seine beiden Wölfe.
Odin verwettet seinen Kopf
O din war überzeugt, das Richtige zu tun. Die Kampfkraft menschlicher Helden würde ihm in der letzten Schlacht den entscheidenden Vorteil verschaffen. Und so erhörte er in diesen Tagen ganz besonders oft die Gebete der Menschen. Selbstverständlich nur die der Krieger und auch nur dann, wenn die Krieger adliger Herkunft waren.
»Für alle anderen und die Weiber gibt es ja Thor«, pflegte Odin zu sagen, und manchmal fragte sich Thor insgeheim, ob Odin nicht doch etwas von dem Zwischenfall mit dem Riesenkönig Thrym und dem Verlust des Hammers Mjöllnir erfahren hatte.
Unter den Menschen lebte zu dieser Zeit ein König, der besonders tapfer und kriegserfahren war. Sein Name war Harald Kampfzahn. Immer wieder flehte er Odin um seinen Beistand in der Schlacht an, und Odin gewährte ihm diese Unterstützung gerne, denn in Gedanken sah er König Kampfzahn und seine mutigen Krieger längst über den Pferden seiner Walküren hängen.
Odin ging sogar so weit, Kampfzahn selbst zu erscheinen.»Höre, König, ich verrate dir, in welcher Formation deine Truppen unschlagbar sein werden. Als Gegenleistung, nein, sagen wir, als Opfer, versprichst du mir die Seelen all derer, die dein Heer im Kampf erschlägt.«
Demütig sank der König vor Odin in den Staub und schwor, alles zu tun, was Odin verlangt hatte. Die Schlacht brach los, und Kampfzahns Truppen
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