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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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überrollten ihre Feinde. Schon der erste Angriff forderte so viele Opfer, dass der Boden übersät war mit Toten. Die Überlebenden aber kämpften weiter. Das Scharren der vielen Füße wirbelte Staubwolken auf, und der Geruch von Schweiß, Angst und Blut lag in der Luft. Zwischen den Reihen der Kämpfenden aber schritt Odin hindurch, und diejenigen Krieger, die besonders gut und furchtlos fochten, kennzeichnete er mit seinem Speer. Odin lächelte ihnen zu, klopfte manchem von ihnen anerkennend auf die Schulter, bisweilen flüsterte er auch: »Bis gleich in Walhall!« Dann sah er zufrieden zu, wie sie unmittelbar darauf tödlich verwundet zu Boden sanken.
    Wie auf einen unhörbaren Befehl hin erschienen riesenhafte Reiterinnen auf dem Schlachtfeld. Ihre grauen Pferde überragten die der Menschen um ein Vielfaches. Sie schnaubten, scharrten mit den Hufen und bäumten sich auf. Die Reiterinnen selbst glitten lautlos vom Rücken ihrer Tiere, verneigten sich vor Odin und wuchteten die Gefallenen mit einem einzigen Handgriff auf den Rücken ihrer Pferde. Harald Kampfzahn lieferte Odin auf diese Weise viele Krieger für die letzte Schlacht. Und Odin verhalf ihm zu immer weiteren Siegen.
    Dann allerdings, eines Tages, wurde Odin seiner überdrüssig.Der König war alt geworden und nicht mehr so schlachtenhungrig wie bisher, daher stieg Odin zu ihm in den Kriegswagen und stieß ihn bei voller Fahrt herunter, dass er durch den Staub rollte und starb. Odin indessen wandte sich neuen Menschenfürsten zu, stiftete Verrat und Missgunst unter ihnen und schickte sie gegeneinander in den Krieg.

    Die Walküren aber ernteten, was er gesät hatte, wählten selbst noch Kämpfer auf dem Schlachtfeld aus, und bald drängten sich in Walhall die gefallenen Helden. Schon nach kurzer Zeit waren es so viele, dass ein Teil von ihnen auch in Freyjas Burg untergebracht werden musste. Von nun an störten zwar ständiger Waffenlärm und Kampfgeschrei die himmlische Ruhe, aber Odin hörte es mit Vergnügen und wirkte jeden Tag weniger bedrückt.Bis er eines Tages von seinem Wolkenthron aus nach Utgard hinuntersah und erschrak. In immer kürzeren Abständen verließen die Riesen das Gebiet, das Odin ihnen zugewiesen hatte. Sie lösten Steinschläge aus, um die Häuser der Menschen zu verschütten, zertrampelten deren Äcker und töteten wahllos, was ihren Weg kreuzte, sie mordeten und quälten.
    Sorgenvoll stieg Odin wieder von seinem Himmelssitz herab und ließ Thor rufen.
    »Vielleicht ist das schon der Anfang. Sie wollen uns provozieren.«
    »Dann werde ich ihnen zeigen, was es heißt, die Götter herauszufordern«, antwortete Thor, und seine Hand schloss sich um den Donnerhammer Mjöllnir.
    »Nein!« Odin starrte nachdenklich vor sich hin. »Ich sollte der Sache selbst auf den Grund gehen. Wenn ich dich brauche, schicke ich dir einen Raben.«
    Und Odin ließ den achtbeinigen Hengst Sleipnir satteln, schwang sich auf seinen Rücken und ritt hinab nach Midgard.
    Die mittlere Welt lag unter schweren Wolken, als Odin ankam. Schnell durchquerte er das Reich der Menschen und folgte dann immer dem Eiswind, bis er die Wildnis Utgard erreichte. Es war ein beschwerlicher Weg durch die raue Draußenwelt bis nach Jötunheim. Nebelbänke verbanden sich mit tief hängenden Wolken und hüllten Odin in einen grauen Schleier. Alles war grau. Kein Oben und kein Unten mehr. Keine Richtung und kein Weg. Selbst jegliche Geräusche drangen nur abgedämpft undfremd an Odins Ohr. Da gab der Göttervater Sleipnir die Sporen. Freudig warf der achtbeinige Hengst den Kopf in den Nacken, löste sich vom Boden und glitt schwerelos über den Dunst dahin. Odin lächelte: »Das Beste der Pferde für den Besten der Götter.«
    Ohne ein Geräusch, ohne Vorwarnung erschien plötzlich direkt vor Odin ein gigantischer Kopf zwischen den Wolken. Der Kopf des mächtigsten und gefürchtetsten aller Riesen, der Kopf Hrungnirs. Gesicht und Haar waren aus grauem, kalten Stein, kein Gefühl schien in ihm zu sein, ja fast kein Leben. Nur in den lauernden Augen des Riesen lag der Hass. Grenzenloser Hass, der so alt war wie die Feindschaft zwischen Riesen und Göttern. Sleipnir scheute, als Hrungnirs Kopf so unerwartet aus den Wolken wuchs, und hätte Odin beinahe abgeworfen.
    Da begann der Riese zu sprechen: »Welcher Mann reitet da im Goldhelm über Luft und Meer?«
    Hrungnirs Stimme war so gewaltig, dass Odin glaubte, das Gebirge unter ihm müsse zu Staub zerfallen. Normalerweise sind

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