Die Novizin
ihm verhandelt hatte. Also ging ich den ganzen Weg noch einmal zurück und unterbrach ihn bei seiner Arbeit. Er muss mich wahrhaft für einen Narren gehalten haben.
Schließlich wurde eine Vereinbarung getroffen, und ich kehrte voller Verwirrung zum Priorat zurück. Dort angekommen warf ich mich in meiner Zelle auf die Knie und versuchte, meinen Seelenfrieden durch Gebete und Kontemplation wiederzuerlangen.
Und welcher Art diese Gebete waren! Sie strotzten nur so vor Selbsthass und Gejammer. Wir können Gott zwar angesichts der Versuchung um Stärke anflehen, doch wir müssen ihr auch widerstehen wollen . Ich habe Käfer gesehen, die, von einem Messer aufgespießt, zappelten, sich in ihrer Hilflosigkeit und Qual wanden und dennoch mehr Macht über ihr Schicksal besaßen als ich.
Es war offensichtlich, was geschehen würde. Obwohl ich ein Mönch bin, kennt man mich als eigensinnig und verstockt. Das sind meine Fehler. Ich war wie eine reife Frucht, die darauf wartet, gepflückt zu werden.
Mea culpa. Mea maxima culpa!
Ich beichtete meine Sünde der Wollust unserem Prior, einem guten Mann mit müden Augen. Ich bin sicher, dass er bereits viele junge Mönche mit ihrem Keuschheitsgelübde hatte ringen sehen, wenngleich er seinen eigenen Kampf vergessen hatte. Er erteilte mir Absolution und erlegte mir eine Buße auf. Derartiges war mir natürlich nicht zum ersten Mal passiert. Ich gelobte jedoch, dass ich letzten Endes über den Versucher triumphieren würde. Alle Mönche haben schließlich mit ihrer menschlichen Schwäche zu kämpfen.
Doch der Erzfeind gibt die menschliche Seele nicht ohne weiteres frei, vor allem nicht die eines Klosterbruders. Obgleich ich mich dagegen wehrte, den Pfad der fleischlichen Begierde einzuschlagen, versteifte sich jener Widersacher auf mich, um meinen Ruin herbeizuführen.
Nun, im Rückblick, bin ich von mir selbst angewidert. Denn als die Gelegenheit zur Umkehr kam, nahm ich trotz all meiner Beteuerungen eifrig wie ein Hund die Witterung auf und folgte der Fährte ohne zu zögern.
*
Ich sollte euch etwas über meine Person erzählen.
Mein Name ist Bernard Donadieu, Vom Predigerorden der Dominikaner in Toulouse. Zweifellos habt Ihr von unserem Orden gehört, denn aus unserem Priorat entstammen die ersten Inquisitoren, welche die Auswüchse ketzerischer Verderbtheit untersuchten.
Ich gestehe, dass ich nicht die Erfahrung einer wahren Berufung vorzuweisen hatte, bevor ich in das Kloster eintrat. Ich war der jüngste von fünf Söhnen. Mein Vater, ein Wollhändler in der Gegend um Carcassonne, war ein einflussreicher und wohlhabender Mann, allerdings nicht wohlhabend genug, um all seinen Söhnen ein Einkommen zu sichern. Also nutzte er seinen Einfluss, um mir einen Platz in einer Abtei zu verschaffen.
Es war keine schlechte Wahl, denn obwohl ich beim Eintritt in den Orden ein Armutsgelübde ablegte, war das Kloster selbst doch reich an Besitztümern. Und die Kirche an sich bot einem intelligenten jungen Mann schnelles Vorwärtskommen und eine gewisse Muße. Selbstredend bin ich meinem Vater dankbar für das, was er für mich getan hat, denn es führte mich zu einem gesegneten Leben.
Nach meinem Noviziat legte ich die Gelübde des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut ab, Gelübde, die für einen jungen Mann wie mich schwer einzuhalten waren. Ich hatte viele Sünden begangen und ich war sehr stolz. Meine Gemütslage wechselte zwischen Aufsässigkeit und Reue. Ich kasteite meinen Leib mit Peitschen, und der Schmerz des Hungers während des beinahe ständigen Fastens war mir wohl vertraut.
Dennoch war ich der Meinung, dass mein Vater hinsichtlich meiner Zukunft richtig entschieden hatte, denn ich entdeckte in mir nicht nur eine gewisse Begabung für religiöse Studien, sondern auch eine tiefe Liebe zu Gott und seiner heiligen Kirche. Ein Mann kann für sein Leben eine schlechtere Wahl treffen, als sich der Rettung der menschlichen Seelen zu widmen.
Ich meisterte das Trivium aus Grammatik, Rhetorik und Dialektik und danach das Quadrivium aus Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Ich studierte die Schriften von Ovid und Horaz, Euklid und Cicero und befasste mich mit dem Organon des Aristoteles. Mit fünfzehn trat ich dem Orden des Heiligen Dominik bei und im Alter von einundzwanzig Jahren lehrte ich Philosophie in Carcassonne. Fünf Jahre später war ich Studienmeister an der Universität von Toulouse.
Man setzte große Erwartungen in mich, und wie in vielen anderen
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