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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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auf Abstand gehalten. Die Obamas »fühlen sich zu sehr unter Beschuss«, erklärte ein alter Freund aus Wahlkampftagen, der sich ebenfalls ausgeschlossen fühlte. »Je näher man ihnen kommt, desto schwerer fällt es ihnen, Kritik anzunehmen«, sagte er.
    Zur gleichen Zeit erreichte die Verachtung, die der Präsident für den Kongress hegte, eine neue Dimension. Als Judd Miner, früher Chef des Präsidenten in der Chicagoer Bürgerrechtskanzlei, mit seiner Frau Linda zu Besuch ins Oval Office kam, machte Obama seinem Ärger Luft. »Dieser Job ist wirklich grandios, ich kann mich den wirklich wichtigen Fragen widmen«, erklärte er. »Mir gefällt es nur nicht, dass ich vor diesen Abgeordneten katzbuckeln muss«, erklärte er. »Sie sind keinen Deut besser als die Stadträte in Chicago. Sie sind zwar intelligenter, aber ihr Wertesystem ist ähnlich.« Auch in aller Öffentlichkeit neigte er zu solchen Äußerungen. Im April legte er bei einer Fahrt durch Iowa einen Zwischenstopp an einem Mais-Verkaufsstand ein, wo man für die Ware mit einer freiwilligen Spende bezahlen konnte. »Vielleicht funktioniert’s«, meinte der Präsident, »zumindest so lange, bis jemand aus dem Kongress vorbeikommt.« Das Weiße Haus veröffentlichte diese Szene sogar auf der Website des Präsidenten – als Einspieler in seinem wöchentlichen Videoclip.
    Als es wärmer wurde, spielte der Präsident an den Wochenenden wieder Golf. Das hatte für ihn etwas Meditatives und war eine gute Gelegenheit, sich im Freien zu bewegen. Jahre zuvor hatte er unter anderem deshalb mit dem Golfen begonnen, um in Springfield Kontakte zu knüpfen. Jetzt waren seine Partner meist ein Presse-Assistent, der Mann, der für seine Reisen verantwortlich war, und Mitarbeiter, bei denen er sichergehen konnte, dass sie keine brisanten Themen anschnitten. Fast nie lud er Kabinettsmitglieder oder gewählte Volksvertreter ein, von politischen Gegnern ganz zu schweigen. Der Präsident war zwar bereit, viel seiner Zeit und auch viel von sich selbst der Politik zu opfern – aber alles in Maßen. »Ich glaube, er denkt, dass neunundneunzig Prozent absoluter Humbug sind«, sagte ein externer Berater, der den Präsidenten drängte, sich öfter solchen Aktivitäten zu widmen. »Es muss ja nicht zwingend verlogen sein.«
    Dabei ist ein politisches Amt letztendlich eine Berufung in den Dienst der Öffentlichkeit und keine Privatsache. »Vielleicht wäre es ganz gut gewesen«, so jener externe Berater weiter, »wenn diejenigen, denen wirklich an seiner Kandidatur lag, offener mit ihm diskutiert hätten. Und zwar darüber, was er nach der Kampagne tun musste, um weiterhin Erfolg zu haben.«
    ***
    Auch in diesem Frühling fühlte sich Michelle Obama noch in ihrer Rolle gefangen und hatte die Beziehung zum Westflügel des Weißen Hauses nur ansatzweise verbessern können. Doch nun hatte sie etwas zu tun, und, ob bewusst oder unbewusst, entwickelte sich daraus ihre Antwort auf die grundlegende politische Fragestellung der Präsidentschaft ihres Mannes.
    Wenn die Gesundheitsreform schon nicht lief, wie anfänglich geplant, wollte sie wenigstens auf ihre Weise auf vergleichbare Ziele hinarbeiten. Waren Obamas Vorhaben zu weit gefasst, ging sie die ihren äußerst konzentriert an. Hatte sie den Eindruck, der Westflügel sei unorganisiert, so veranstaltete sie im Ostflügel Sitzungen zum Thema Strategie und Langzeitplanung. Und während Barack Obamas Kontakt zur Öffentlichkeit zu wünschen übrigließ, wurde sie zum Publikumsliebling.
    Anfang Juni sprach sie vor den 158 Absolventen der Anacostia High School; die Schülerinnen und Schüler jubelten vor Aufregung über den eigenen Erfolg und die Anwesenheit der Präsidentengattin. Die meisten First Ladies hatten niemals Abschlussreden vor Schülern gehalten – sie sprachen lieber vor Tausenden von Universitätsstudenten und deren Angehörigen. Doch Michelle Obama und ihr Stab im Weißen Haus hatten diese Schule von Anfang an im Visier gehabt. Das Viertel, in dem die Highschool lag, stand nämlich stellvertretend für alle erdenklichen innerstädtischen Probleme. Bei Michelle Obamas ersten Besuch im März 2009 hatten nur knapp fünfzig Prozent der Schüler den Abschluss geschafft. Wenige Monate später wurde die Schule in eine »Charterschule« umgewandelt, eine öffentliche, aber von privaten Unternehmen geleitete Schule. Die Festlichkeiten 2010 , ein knappes Jahr später, waren in der Tat ein Anlass zum Feiern: Fast achtzig Prozent

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