Die Obamas
auch sein Telefon ab. Nach einer erfolglosen, hektischen Suchaktion kam ein weißer Mitarbeiter namens Peter Coffey auf die Idee, bei Obamas Friseur anzurufen – und wurde tatsächlich fündig. Ein paar Stunden vergingen, dann kehrte der Kandidat zurück ins Büro und knöpfte sich Coffey auf der Stelle vor. »Die Beziehung eines Schwarzen zu seinem Friseur ist heilig«, brüllte er für alle hörbar. »Sie sind sich näher als Mann und Frau. Offenbar ist Ihnen diese Binsenweisheit nicht geläufig. Zur Strafe sehen Sie sich den Film
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an. Und wenn das nicht reicht, auch noch
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«
Auch in Michelle Obamas Berufsleben spielte die Rassenzugehörigkeit eine Rolle. Bei ihrem Arbeitgeber »Public Allies« veranlasste sie die Teilnehmergruppen häufig, über ethnische Konflikte zu diskutieren. »Ich hasse die Multikulti-Workshops mit ihrem Antidiskriminierungsanspruch«, sagte sie in einem Interview während der Präsidentschaftskampagne, womit sie die einmal im Jahr stattfindenden Pflichtveranstaltungen in vielen Schulen und Betrieben kritisierte. »Wahre Veränderung geschieht nur, wenn man sich wohl genug fühlt, um wirklich die Wahrheit zu sagen und auch unangenehme Dinge auszusprechen.«
Seit Beginn des Präsidentschaftswahlkampfs 2007 hatten sich die Obamas immer wieder Gedanken gemacht, wie es wäre, wenn sie als erste Schwarze das Land regieren würden. Sie testeten und überprüften ihre Ideen und beobachteten die Reaktionen ihres Umfelds. In der Öffentlichkeit thematisierte Obama nur selten seine Hautfarbe, aber seine Berater machten sich deswegen durchaus Gedanken – und er gelegentlich auch. An einem Abend, als der Komiker Chris Rock bei einer Benefizveranstaltung im Harlemer Apollo Theater ihm zu Ehren auftrat, erklärte Obama einem der Organisatoren, er sei dermaßen nervös, was Rock wohl von sich geben würde, dass er sich frage, ob man die ganze Sache nicht besser abblasen solle. Am Ende war er von Rocks Auftritt begeistert und bedankte sich am nächsten Tag bei ihm. Als Reverend Al Sharpton kurz vor dem Start der Vorwahlen nach Iowa reisen wollte, wurde Obamas Wahlkampfteam nervös. Sharpton sagte schließlich ab, aus Angst, er könne weiße Wähler verschrecken. Der Kandidat habe erleichtert gewirkt, erinnern sich Mitarbeiter. (Als Obamas früherer Pastor Jeremiah Wright jr. später immer noch gegen den Kandidaten und sein Team wetterte, war es Sharpton, der ihn schließlich zur Räson brachte.)
Natürlich war die Rolle des ersten schwarzen Präsidentenpaars im Weißen Haus auch sehr anregend und aufbauend. »Besonders Afroamerikaner sind ganz besonders stolz auf die Obamas – und das wissen die beiden«, erklärte Michael Strautmanis, ein Mitarbeiter, der hauptsächlich für den Kontakt des Weißen Hauses zur schwarzen Bevölkerung zuständig war. Bei Reden vor den Bürgerrechtsvereinigungen NAACP oder Urban League ließ sich der Präsident gern von der Begeisterung der Menge tragen. »Das Präsidentenamt schafft von Natur aus Distanz«, so Strautmanis, aber zu schwarzen Zuhörern empfinde Barack Obama eine besonders enge Bindung. Ihren großen Vorbildern erwiesen beide mit Vergnügen Respekt; als die Schriftstellerin Maya Angelou oder die Bürgerrechtlerin Dorothy Height an einer Veranstaltung im Weißen Haus teilnahmen, wurden sie besonders herzlich begrüßt. Und während eines Konzerts im Ostflügel des Weißen Hauses mit Songs aus der Ära der Bürgerrechtsbewegung wirkte der Präsident entspannt und stolz wie selten.
Dennoch war es für den Präsidenten oft eine Gratwanderung, zu welchen Fragen er Stellung nehmen sollte und zu welchen nicht. Als Generalstaatsanwalt Eric Holder, ebenfalls ein Afroamerikaner, die USA eine »Nation von Feiglingen« nannte, weil niemand es wagen würde, die Rassenfrage ehrlich zu diskutieren, wies der Präsident ihn in der Öffentlichkeit höflich zurecht; Rahm Emanuel wollte im Justizministerium sogar jemanden anstellen, der in Zukunft Holders Reden kontrollieren sollte. [54]
Das eine Mal, als sich Obama impulsiv in der Öffentlichkeit zum Thema Rasse geäußert hatte – als er seinen Ärger über den weißen Polizisten zum Ausdruck brachte, der Henry Louis Gates jr. festgenommen hatte –, war ein Desaster gewesen und hatte einen unbeholfenen »Bier-Gipfel« mit den beteiligten Parteien nach sich gezogen. (Der berühmte Kulturwissenschaftler Gates rüttelte, weil er seine Schlüssel vergessen hatte, in Cambridge an seiner eigenen
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