Die Obamas
Haustür – worauf Nachbarn die Polizei alarmierten. Diese kam und nahm Gates vor seinem eigenen Haus fest. Obama, ein persönlicher Freund Gates’, kritisierte daraufhin die Polizei, musste seine Kritik später jedoch differenzieren.)
Michelle Obama war die Ururenkelin von Sklaven, sprach aber nicht über die Bedeutung dieses Erbes: Am nächsten kamen sich die Obamas bei dem alljährlichen österlichen Sederabend, den sie für überwiegend jüdische und farbige Gäste abhielten, denn der Feiertag bot eine der seltenen Gelegenheiten, unbefangen über Unterdrückung und Befreiung zu sprechen.
Für Barack Obama brachte das Präsidentenamt eine fast surreal anmutende Wende in der Frage der Rassenzugehörigkeit mit sich: Die erste Hälfte seines Lebens war geprägt von der Schwierigkeit des Farbigen, in der Welt der Afroamerikaner seinen Platz zu finden, und selbst zu Beginn seiner Präsidentschaftskampagne hatten ihm Kritiker wiederholt vorgeworfen, er sei nicht »schwarz« genug. Jetzt, als Präsident, behandelte man ihn mehr denn je als »Schwarzen«. Das war in mancher Hinsicht eindeutig positiv: Man begriff ihn als historische afroamerikanische Figur, als Apotheose des »schwarzen Erfolgs« und Nachfolger von Martin Luther King jr. Aber er bekam auch umfassender und tiefgreifender als je zuvor Rassismus zu spüren. Man stellte ihn verzerrt dar, presste ihn in stereotype Schablonen, man beschimpfte ihn im Internet als Gangster oder Affen und drohte ihm mit dem Tod.
Anschuldigungen, Barack Obama sei in Wirklichkeit ein Moslem oder gar kein Bürger der Vereinigten Staaten, zielten darauf ab, ihn als anders und fremd zu diffamieren. Im April 2010 zeigte eine Umfrage von
New York Times
und CBS , dass über die Hälfte der Tea-Party-Anhänger der Meinung waren, dass »man sich zu sehr um die Belange der schwarzen Bevölkerung kümmere«. (Auf die Frage, was genau sie an Mr. Obama auszusetzen hätten, konnten die meisten Anhänger der Tea Party nichts Konkretes vorbringen. Sie erklärten lediglich, sie könnten ihn »einfach nicht leiden«.) Als Joe Wilson, Mitglied im Repräsentantenhaus, während einer Rede des Präsidenten dazwischenrief: »Sie lügen«; als Bill O’Reilly den Präsidenten im Fernsehen unterbrach; und vor allem als Jon Steward den Präsidenten mit »Dude« ansprach (was so viel heißt wie: »Na, Alter?«) – jedes Mal fragten sich Obamas Mitarbeiter, ob man einem weißen Präsidenten auch so respektlos begegnet wäre. »Und am Ende bleibt die Frage, ob man nicht doch bloß ein N. ist«, so einer der Mitarbeiter resigniert. (Das »N«-Wort steht für »Nigger« und ist das rassistischste amerikanische Schimpfwort.)
Der Präsident nahm zu diesen Themen in der Öffentlichkeit nie Stellung. Nach dem Fauxpas in der Angelegenheit Henry Louis Gates äußerten sich die Obamas zum Thema »Rasse« vor Publikum nur noch positiv und wohlwollend: hier eine Martin-Luther-King-jr.-Geburtstagsfeier, da eine Veranstaltung zum Black History Month.
»Der erste schwarze Präsident möchte niemandem Einblick gewähren, wie es ist, der erste schwarze Präsident zu sein«, sagte ein Mitglied des Chicagoer Freundeskreises mit einem Grinsen.
Obama und seine Berater wussten, dass es politisch nichts bringen, wohl aber ein gewaltiges Risiko darstellen würde, Aufklärungskampagnen zur Rassenfrage zu starten. Aber hier ging es auch um ihr persönliches Ethos. Obama lebte nach den Regeln Fraser Robinsons: nicht gewaltsam auf ungerechte Behandlung reagieren, hart arbeiten, weitermachen und hoffen, dass die anderen einen klar und deutlich erkennen werden. »Es liegt Würde darin, sich bei Vorbehalten zurückzunehmen, sie nicht als Kränkung aufzufassen«, sagte einer seiner Berater.
Das bedeutete jedoch nicht, dass dieses Thema den Präsidenten nicht gekümmert hätte. Er sah die Meinungsumfragen zur Einstellung der Tea-Party-Mitglieder hinsichtlich der Rassenfrage; er kannte den Klang dessen, was seine Berater »Hundepfeifen« nannten: Aufrufe wie »Holt unser Land zurück«, die nicht offen rassistisch oder fremdenfeindlich waren, aber unterschwellig Menschen ansprachen, die ohnehin bereits der Ansicht waren, Obama sei zu schwarz, zu ausländisch, zu fremd. Er wisse, dass es immer einige Amerikaner geben werde, die sich mit ihm als Präsidenten unbehaglich fühlten, egal, was er zustande bringe, sagte ein afroamerikanischer Berater, mit dem er darüber diskutiert hatte.
Die Rassenzugehörigkeit sei für ihren
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