Die Obamas
Gegenzug einen Tag lang ehrenamtlich Gutes zu tun – ein recht bescheidener Beitrag der wohlhabenden Gattinnen, fanden die Mitarbeiter des Ostflügels, vor allem angesichts der Summen, die für Blumenschmuck, Tischwäsche und Unterhaltungsprogramm ausgegeben wurden. »Wenn die First Lady einen Nachmittag ihres Lebens für etwas opfert, das so gegen ihre Natur geht, und wenn sie dabei auch noch am Arm eines fremden Militärs über den roten Teppich schreiten muss, dann möchte sie damit auch etwas in ihren Augen Sinnvolles bewirken, etwas, das dem Gemeinwohl zugutekommt«, so eine ihrer Mitarbeiterinnen.
Am Tag des Lunchs saß Michelle Obama in einem dezent geblümten Kleid wartend hinter der Bühne des Washingtoner Hilton. Eine geschlagene halbe Stunde lang wurden die anderen Gäste des Events offiziell begrüßt: Ehefrauen von führenden Kongressabgeordneten oder Bundesrichtern, manche mit ihren Ehemännern. Die Veranstaltung war das exakte Gegenteil dessen, was Michelle Obama in London erlebt hatte. Sie war förmlich und folgte einer strengen Dramaturgie, das Publikum bestand größtenteils aus weißen Mitgliedern der Oberschicht. Als die First Lady endlich auf die Bühne trat, sah sie sich einem Meer von Frauen gegenüber, die einem anderen Zeitalter entsprungen zu sein schienen. Töchter und Enkelinnen von Clubmitgliedern fungierten als »Junior-Hostessen«, angetan mit einheitlich minzgrünen Kleidern und Schuhen im selben Farbton, in den Händen Hyazinthensträuße. Die eigens für den Anlass hergestellten Tischdecken waren mit bukolischen Landschaften bedruckt, in denen sich Figuren verlustierten, die aussahen wie zu Marie Antoinettes Zeiten. Als Erinnerungsgeschenk überreichten die Gastgeberinnen der First Lady eine Gobelinstickerei mit einer Darstellung des Weißen Hauses.
In ihrer Ansprache berichtete Michelle Obama von ihren Töchtern (»Sie haben sich gut eingewöhnt und schreiben gute Noten«) und ihrer Mutter (»Sie führt ein reges gesellschaftliches Leben«). Und sie betonte, wie heimisch sie schon geworden sei. »Ich fühle mich hier inzwischen so wohl wie in Chicago«, sagte sie überschwenglich. Dann kam sie auf ein unverfängliches Thema zu sprechen: Bo, den neuen Hund der Familie. »Er ist wirklich der süßeste Welpe auf der ganzen Welt«, schwärmte sie. »Ich liebe ihn über alles.«
Sie dankte den Damen, die tags zuvor im Rahmen einer Freiwilligen-Aktion bei einer Washingtoner Tafel zweitausend Lebensmitteltüten für hungernde Jugendliche gepackt hatten. Und sie müssten noch viel mehr tun, drängte sie die Anwesenden. »Ob es nun eine Tafel ist oder eine Obdachlosenunterkunft – dort draußen herrscht so viel Not.« Geschickt hatte sie mit diesen Worten auch ihre Kritik an den Tischdecken und Tafelaufsätzen der Gastgeberinnen angebracht. Unerwähnt ließ sie jedoch das große Medienecho, das die Aktion ganz unbeabsichtigt hervorgerufen hatte: Die First Lady hatte zum Tütenpacken ein Paar 540 Dollar teure französische Sneakers von Lanvin getragen.
Kapitel 5: Wahlkampfversprechen
Mai – August 2009
A m 30 . Mai, einem strahlenden Samstagnachmittag, verließ das Präsidentenehepaar das Weiße Haus durch den Hinterausgang und ging über den Südrasen zum Hubschrauber Marine One. Die Fransen an Michelles schwarzem Cocktailkleid wippten, und ihre Absätze sanken bei jedem Schritt ein Stück weit in den weichen Boden ein. Vom Balkon aus winkte Sasha ihren Eltern zum Abschied zu.
Der Präsident erfüllte an jenem Tag ein privates Versprechen, das er während des Wahlkampfs gegeben hatte. In all den Jahren, seit sie sich kannten, auch als die Kinder noch klein waren und er von Chicago nach Springfield gependelt war, hatten Barack und Michelle ihre Tradition beibehalten, freitagabends gemeinsam auszugehen. Unter der Woche musste Michelle ihren Mann mit Studenten und Wählern teilen, aber am Wochenende gehörte er ihr. Um sich für diese Abende feinzumachen, war Michelle schon frühmorgens um halb sechs zum Van Cleef Hair Studio gegangen, kurz Rahni’s genannt, einem schicken multikulturellen Friseursalon, und hatte sich das »Working Girl’s Special« gegönnt, das Kombiangebot aus Frisieren und Maniküre. Die abendlichen Stunden zu zweit halfen den Obamas, ihre private Beziehung lebendig zu halten, während sie ihre Karrieren, zwei kleine Kinder und sehr verschiedene Auffassungen über ihr künftiges Leben unter einen Hut bringen mussten. Im Präsidentschaftswahlkampf war es
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