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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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Publikum herstellen könne. »Das Besondere an ihr ist ja gerade, dass sie weder reserviert noch unerreichbar oder undurchschaubar ist«, fuhr Winter fort.
    Von allen Aufgaben, die Michelle Obama im Laufe der Jahre übernommen hatte, hatte die Leitung des Chicagoer Büros von »Public Allies« sie wohl am stärksten geprägt, einem Programm, das Menschen aller Altersgruppen befähigt, sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Das Projekt basierte auf der Idee, junge Menschen in Problemvierteln nicht abzuschreiben, sondern ihr Potenzial zu erkennen, denn mit entsprechender Ausbildung können sie auch ohne Unterstüzung der öffentlichen Hand ihr Umfeld mit emporziehen bei ihrem sozialen Aufstieg. Michelle Obama rekrutierte Jahr für Jahr neue Teilnehmer, von Absolventen der University of Chicago bis hin zu mehrfach straffällig gewordenen Highschool-Abbrechern; sie verschaffte ihnen Praktika im öffentlichen Dienst und bereitete sie auf Führungsaufgaben im Gemeinwesen vor. Die Hochschulabsolventen in der Gruppe bewunderten Michelle, die Sozialhilfeempfänger und Teenagermütter aber waren restlos begeistert von ihr. Sie sagte ihnen, dass sie genauso begabt seien wie jemand, der studiert habe, und sie half ihnen, Dinge zu meistern, die ihnen fremd waren oder Angst machten. Wenn jemand morgens nicht pünktlich zur Stelle war, akzeptierte sie auch eine Betriebsstörung der U-Bahn nicht als Entschuldigung: »Ihr wisst, dass es in eurer Verantwortung liegt, rechtzeitig hier zu sein, also müsst ihr einen Plan A, B und C haben«, erinnerte sich Paris Brewer, eine Teilnehmerin des Programms.
    Die First Lady war bestrebt, Klischees auszuräumen – junge Schwarze seien nur Aufreißer, schwarze Frauen seien Sozialschmarotzerinnen –, aber auch die Vorurteile, die in den Köpfen der Teilnehmer selbst herumgeisterten. Als die
Chicago Tribune
einen der Programmteilnehmer namens Malik Nevels fälschlicherweise als »Bandenführer« bezeichnete, hatte sie nur die Augen verdreht und gesagt: »Willkommen in der Welt der Medien.« Dann hatte sie ihn aufgefordert, einen Brief an die Zeitung zu schreiben.
    Brewer, eine junge Farbige, misstraute Weißen grundsätzlich, als sie in das Programm einstieg, aber Michelle »hat einfach gesagt, ich soll keinen Blödsinn reden«, erzählte Brewer. »Sie hat mich immer wieder aufgefordert, erst mal dafür zu sorgen, dass ich mit Fakten belegen kann, was ich sage, bevor ich den Mund aufmache.« Einmal sei Brewer während einer Versammlung aufgesprungen und hinausgestürmt. Michelle sei ihr gefolgt. »Lass es dir niemals anmerken, wenn du die Nerven verlierst«, habe sie zu ihr gesagt.
    »Sie bemitleidet dich nicht, dafür ist sie nicht der Typ«, so Brewer weiter.
    Andere Teilnehmer hatten Angst vor Homosexuellen. Als sich Krsna Golden, der tatsächlich früher einer Gang angehört hatte, auf einem Lehrgang darüber beschwerte, dass er das Zimmer mit einem Schwulen teilen musste, hatte sie ihn ins Gebet genommen. »Sie hat mir klargemacht, was ich da falsch gemacht habe«, sagte er. »Am Ende des Lehrgangs hatte ich das Gefühl, größer, stärker und klüger geworden zu sein.«
    Einige Allies sagten Jahre später, Michelle habe sie als Mensch am stärksten beeindruckt, stärker noch als alles, was sie zu ihnen gesagt hatte. Michelle Obama stammte nicht aus privilegierten Verhältnissen, sie war eine von ihnen. Und obwohl sie in Princeton und Harvard Jura studiert hatte und überall hätte arbeiten können, verwendete sie ihre Zeit und Energie auf die Teilnehmer und ließ sich unbeirrt von dem Gedanken leiten, dass sie zu Großem fähig waren.
    ***
    Die Schülerinnen der Elizabeth Garret Anderson School in London, die bereits seit zwei Stunden in ihrer mit Sonnenblumen geschmückten Aula ausharrten, hatten keine Ahnung, wer der geheimnisvolle Gast war, der ihrer Schule an jenem Aprilnachmittag einen Besuch abstatten sollte. Es war eine reine Mädchenschule, nur wenige der Kinder waren Weiße, und für zwei Drittel von ihnen war Englisch nicht die Muttersprache. [28] Zwanzig Prozent waren Kinder von Flüchtlingen oder Asylbewerbern. [29] In ihren adretten grauen Schuluniformen saßen sie da, einige von ihnen mit Kopftüchern, und um die Wartezeit zu verkürzen, zeigte man ihnen den Film
Mamma Mia.
    Als Michelle Obama eintrat, wurde sie von ohrenbetäubendem Kreischen begrüßt. Im Weißen Haus war es still, alles lief dort eher gedämpft ab, und auch im Buckingham-Palast und bei den G- 20

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