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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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fotoscheu wie immer, ließ sich erst gegen Ende der Zusammenkunft erweichen, ein paar Minuten lang zu posieren.
    Und nun, sechs Monate später, kam die Verwandtschaft erneut zusammen – diesmal formierte sich die Schlange der Gäste vor einer Sicherheitsabsperrung am Ende der Straße, in der die Obamas wohnten.
    Im Vorfeld hatte man darüber diskutiert, welche Themen man während des Treffens anschneiden könne und welche man besser vermied. Am Ende hatte man sich darauf verständigt, es zu halten wie die Obamas selbst: kein Wort über die Arbeit des Präsidenten, es sei denn, er schnitt das Thema selbst an; und keine Bitten um Gefälligkeiten. Diese Diskussion über zu vermeidende Themen und die passende Anrede hatte die Verwandtschaft seit der Wahl immer wieder umgetrieben. Auch Klagen über dies und das schienen unangebracht, sonst glaubten die Obamas noch, man wolle doch etwas, auch wenn das gar nicht der Fall war. Als sich die Großfamilie zur Begrüßung auf dem Rasen hinter dem Haus versammelte, gab man sich deshalb betont locker.
    Die politischen Neuigkeiten aus dem Weißen Haus wären auch ohne die Übereinkunft der Verwandten kaum als positives Gesprächsthema geeignet gewesen. In diesem Frühjahr hatte sich das Gefühl des Präsidenten verfestigt, dass er missverstanden und seine Leistungen zu wenig gewürdigt würden. Die Amerikaner waren nach wie vor alles andere als begeistert von der Gesundheitsreform; und die Republikaner drohten, deren Inkraftsetzung zu blockieren, die Außerkraftsetzung zu erzwingen und auch in den kommenden Jahren dagegen Sturm zu laufen. Und Obama selbst kam bei der Verteidigung seiner Politik vom Hundertsten ins Tausendste – er redete inzwischen in genau dem politischen Jargon, vor dem ihn seine Frau immer gewarnt hatte. Er hatte fast alles auf diese Gesundheitsreform gesetzt und hatte gewonnen. Dennoch verlor er weiter an Beliebtheit. »Dabei ist es eine historische Leistung, und niemand weiß sie zu würdigen«, sagte der Präsident zu einem Mitarbeiter im Weißen Haus – sein Selbstvertrauen und sein Elan waren Enttäuschung und Bedauern gewichen. »Ich hätte es so nötig.«
    Seit sich im April eine Explosion auf der Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko ereignet hatte, war Barack Obama zunehmend in die Enge geraten. Angesichts des Lecks und der drohenden Umweltkatastrophe empfahlen ihm seine Berater, mehr Emotionen zu zeigen, doch Obama weigerte sich, auf Kommando emotional zu werden, und reagierte äußerlich wie gewohnt: analytisch und kühl. Hinter den Kulissen suchte er mit seinen Mitarbeitern und verschiedenen Experten rund um die Uhr verzweifelt nach Wegen, um das Bohrloch abzudichten. »Er hat eine ausgesprochene Aversion, Leute zu manipulieren und ihnen etwas vorzumachen«, erklärte Jarrett einige Wochen später. »Er packt die Menschen nicht gern bei ihren Gefühlen, das findet er unredlich.« Das gehörte zu den Prinzipien seiner politischen Praxis. Aber niemand verlangte von Barack Obama, den Menschen etwas vorzutäuschen – er sollte lediglich deutlicher zeigen, dass er Verständnis für die allgemein herrschende Ratlosigkeit und Sorge hatte und dass er nicht über den Dingen stand. Andere Präsidenten, besonders Bill Clinton, hatten es perfekt verstanden, die Öffentlichkeit an ihren Bemühungen teilhaben zu lassen. Indem sie zu ihren eigenen Unzulänglichkeiten standen, zogen sie die Bevölkerung auf ihre Seite. Obama – früher ein gefühlvoller Memoirenschreiber – gewährte anderen inzwischen kaum noch Einblick in seine Gefühlswelt. Er wirkte tüchtig, aber unnahbar, introvertiert und stur.
    Die Gesundheitsreform und das Ölleck an der Golfküste: Das eine war ein schwer erkämpfter Sieg, das andere eine unerwartete Tragödie. So unterschiedlich diese beiden Ereignisse auch sein mochten, sie zeigten die schwindende Verbindung zwischen dem Präsidenten und der Bevölkerung; das Vertrauen und die Anerkennung, die er sich im Wahlkampf erworben hatte, lösten sich in Luft auf. Obamas Ansehen in der und sein Verhältnis zur Öffentlichkeit waren nicht nur im Sommer und Herbst 2009 oder im Winter 2010 schwierig – sie wurden zum generellen Problem seiner Präsidentschaft. Die Kluft zwischen ihm und der Bevölkerung schien immer nur noch größer zu werden, nie kleiner. Er hatte seit Januar 2009 eine außerordentliche Menge von Gesetzesvorhaben umgesetzt: die Gesundheitsreform, die Finanzregulierung, das Konjunkturpaket, Ted Kennedys

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