Die Obamas
Stabschef auszuwechseln. »Er hatte im Grunde genommen kein Interesse an größeren Umstellungen oder an einem Pferdewechsel, und Rahm war ein sehr gewiefter legislativer Stratege«, sagte David Axelrod.
Doch wenige Wochen später, im Februar, bat der Präsident Pete Rouse, seinen zurückhaltenden, aber weithin als vertrauensvoll erachteten Berater und früheren Senats-Stabschef, einen Plan für eine Umorganisation des Westflügels aufzustellen, um die Probleme mit dem Wirtschaftsteam ein für alle Mal anzugehen.
Emanuel arbeitete unermüdlich an der Durchsetzung der Gesundheitsreform. Er brach immer wieder in wütende Tiraden aus, doch da der Präsident ihn dafür tadelte, so einige Berater, entschuldigte er sich neuerdings hinterher. An einem Märztag ließ er sich in der Morgenbesprechung um halb acht gehen und zog vom Leder, während die Berater um den Tisch in seinem Büro saßen. Doch einige Stunden später, bei der täglichen Sitzung des Präsidenten mit seinen leitenden Mitarbeitern, entschuldigte sich Emanuel zur allgemeinen Überraschung und Freude der anderen. Unterdessen trieb Obama seinen Stabschef hinsichtlich der Gesundheitsreform unerbittlich an. Der Präsident hatte sogar am Tag der Bar-Mizwa von Emanuels Sohn ein paar Aufgaben für ihn, und Emanuel tat, wie geheißen.
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Etwa zu diesem Zeitpunkt, das genaue Datum ist unbekannt, rauchte der Präsident der Vereinigten Staaten seine letzte Zigarette.
Er hatte seit seiner Studienzeit geraucht – vor den imposanten Bauten der Juristischen Fakultät in Harvard und den nüchternen, modernen Gebäuden der Universität von Chicago. In ihrem früheren Haus hatte seine Frau ihn zum Rauchen nach hinten auf die Veranda geschickt. Seit er ihr zu Beginn seiner Präsidentschaftswahlkampagne versprochen hatte, ganz mit dem Rauchen aufzuhören, hatte sie – halb im Scherz, halb im Ernst – versucht, die Presse auf ihre Seite zu ziehen. »Amerika, pass auf«, hatte sie gefordert. »Lasst ihn nicht aus den Augen, und sagt mir Bescheid«, hatte sie gelacht, »wenn ihr ihn beim Rauchen erwischt.« [46]
Obwohl er Nicorette-Kaugummis kaute, konnte er das Rauchen nicht ganz lassen. In den Räumen des Weißen Hauses zündete der Präsident sich zwar nie eine Zigarette an, aber draußen im Freien hatte er seine Raucherecke. Für einen Menschen wie Obama, der ständig an sich arbeitete, dem Selbstkontrolle wichtig war und der in allen Lebenslagen vorbildlich agieren wollte, war das Rauchen eine Schwäche, die er höchst ungern zugab. Obwohl in der Presse darüber berichtet wurde, durfte niemand ihn persönlich darauf ansprechen – daran hielten sich selbst seine Freunde. Nach seinem Einzug ins Weiße Haus verteidigte ihn sogar seine Frau: »Ach, wissen Sie, in aufreibenden Zeiten wie diesen auch noch mit dem Rauchen aufzuhören ist keine leichte Sache«, erklärte sie. »Seit er mir seinen Entschluss mitgeteilt hat, habe ich ihn in Ruhe gelassen, das ist jetzt seine Privatsache.«
Doch nun löste er bei seiner Frau das große Versprechen ein. Michelle Obama erklärte allerdings später, er habe nur aufgehört, weil die Kinder inzwischen so alt seien, dass sie eine eigene Meinung dazu entwickelten. [47]
Doch Obama wusste, wie viel seiner Frau an der Sache lag. Und wenn ihm als Präsident das Aufhören besonders schwerfiel, war die Situation doch diesmal wie geschaffen. Alles war außer Kontrolle. Er selbst wusste nicht, ob er die Stimmen für die wichtigste Gesetzgebung seiner Legislaturperiode als Präsident zusammenbekommen würde. Er hatte seine Frau enttäuscht, sein Chefberater hatte ihn öffentlich bloßgestellt. Und in dieser schwierigen Situation schnippte er – irgendwo draußen auf dem Grundstück des Weißen Hauses – seine letzte Kippe weg und vollzog seine höchstpersönliche, eigene kleine Gesundheitsreform.
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Am Sonntag, dem 21 . März 2010 , wurde im Repräsentantenhaus endgültig über das Gesundheitsreformgesetz abgestimmt. Es war der bisherige Höhepunkt der Amtszeit Obamas. Barack und Michelle verbrachten diesen Tag getrennt.
Ursprünglich hatte der Präsident mit der First Lady und den beiden Töchtern einen Staatsbesuch in Indonesien absolvieren wollen. Doch die Reise wurde wegen der Abstimmung über die Gesundheitsreform verschoben. Als Entschädigung und damit die Mädchen nicht die gesamten Osterferien im Weißen Haus verbringen mussten, nahm die First Lady Malia und Sasha zum ersten Mal mit nach New York. Da die drei ohne den
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