Die Obamas
Hause, zogen sich gegenseitig auf und stritten miteinander – sie klangen sogar anders, weil sie mehr afroamerikanischen Slang redeten. Sarkastisch, wie sie sein konnten, machten die Obamas mit den Nesbitts und Whitakers Witze, die viel zu gewagt waren, um sie vor Journalisten zu wiederholen. »Endlich kann man sich gehen lassen und muss sich keine Sorgen mehr machen, ob irgendeine Bemerkung in den Medien wiederholt wird«, erklärte Whitaker. Mr. President wurde wieder zu Barack und legte seine defensive Steifheit ab.
Nesbitt und Whitaker standen dem Präsidenten so nah, dass sie keine Einladung brauchten, wenn sie die Obamas im Weißen Haus besuchen wollten: Sie schickten nur eine kurze Nachricht, dass sie kommen würden. Hin und wieder blieben sie über Nacht. Manchmal spielten Nesbitt und der Präsident noch eine Runde Billard in einem Raum im dritten Stock, während die First Lady und die Töchter schon schliefen.
Ähnlich wie Michelle Obamas Verwandte, sprachen auch die Nesbitts und Whitakers den Präsidenten höchst selten auf seine Arbeit an. Nur Cheryl Whitaker konnte sich manchmal nicht verkneifen, ihm eine politische Frage zu stellen – allein schon wegen der vergnüglichen Privatlektion, die darauf folgte. Aber »ich achte darauf, dass ich nicht nur das durchkaue, was in den Nachrichten kommt«, erklärte sie. »Davon haben sie ohnehin reichlich.« Nesbitt ergänzte: »Wir reden über Washington, wenn
er
es will, nicht wenn ich es will.« Whitaker drückte es am deutlichsten aus: »
Mein
Job ist es nicht, alles ständig zu bereden«, sagte er. »Ich habe schon einen Job, und den erledige ich ganz gut.«
Stattdessen versuchten alle, dem Präsidenten den Rücken zu stärken. Nesbitt schickte Obama einmal eine E-Mail, in der er von folgendem Erlebnis berichtete: Während eines Fluges habe er erlebt, dass jemand einem Passagier in Uniform seinen Platz in der Business-Class angeboten habe. Nesbitt fügte hinzu: Er fände, dass die Leute seit Obamas Wahl viel freundlicher und uneigennütziger miteinander umgingen. Der Präsident, der Nesbitt später noch einmal darauf ansprach, war der Ansicht, dass in Washington leider viel zu wenig davon zu spüren sei.
Das Zusammensein mit den Nesbitts und den Whitakers half den Obamas dabei, ihre Situation zu bewältigen. Anfangs war es um die ungewohnte Rolle als First Couple gegangen, später ging es um die damit verbundenen Widrigkeiten und Enttäuschungen. Niemand hatte ernsthaft erwarten können, dass sie in Washington auf der Stelle einen Schwung neuer »Freunde fürs Leben« finden würden. Dass sie aber so sehr an ihren besten Freunden hingen, war auch ein Zeichen, wie groß ihr Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit war. Die Zeit, die das Präsidentenpaar im Kreis dieser engsten Freunde verbrachte, wirkte wie ein bewusstes Abtauchen. Unfähig oder nicht willens, der Welt draußen zu erklären, was er gerade tat und wie er sich dabei fühlte, suchte der Präsident Zuflucht in einer Welt, in der er auch seine Verletzlichkeit zeigen konnte.
Eines Abends im Weißen Haus, als er mit Nesbitt noch spät Billard spielte und das Ölleck im Golf von Mexiko immer noch nicht abgedichtet war, gestand er, wie sehr er unter der eigenen Hilflosigkeit leide. Es sei, als habe er ein todkrankes Kind in die Notaufnahme gebracht. Während die Ärzte – im konkreten Fall die Ingenieure, die das Leck schließen sollten – taten, was sie tun konnten, bleibe ihm nichts anderes übrig, als dazusitzen und zu warten.
Da war sie wieder: die Machtlosigkeit des Präsidentenamtes, die Kluft zwischen den Ansprüchen und den tatsächlichen Möglichkeiten des Achtundvierzigjährigen.
Obamas Vergleich mit der Notaufnahme war stark, mit dem Bild konnte jeder etwas anfangen. Hätte er diesen Gedanken mit der Nation geteilt, hätten die Amerikaner vielleicht nachvollziehen können, wie ernst er das Problem nahm und wie sehr es ihm persönlich zusetzte. Doch Barack Obama beließ es bei diesem einen Zuhörer.
***
In Washington verfolgte man mit Hingabe jeden Schritt des Präsidenten, und wenn die Obamas fast die gesamte Freizeit mit den Nesbitts und Whitakers verbrachten – was von den Medien durchaus registriert wurde –, weckte dies natürlich Neugier. Was war an den Freunden so besonders? Und die Beobachter fragten sich außerdem, oft hinter vorgehaltener Hand: Die Obamas waren doch sonst so offen, warum beschränkte sich ihr engster Freundeskreis dann auf Afroamerikaner?
Die
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