Die Obamas
Antwort auf diese Frage liegt in der Geschichte der Freundschaft der drei Paare begründet. Es gibt tief verwurzelte Gemeinsamkeiten zwischen den Obamas, Nesbitts und Whitakers. Sie hatten sich zwar erst zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr kennengelernt, konnten aber auf sehr ähnliche Erfahrungen zurückblicken. (Sieht man einmal davon ab, dass die Obamas mit ihrer einzigartigen Geschichte ohnehin aus dem Rahmen fielen.) Wie Michelle Obama stammten die Freunde ursprünglich aus bescheidenen Verhältnissen. Ihre Eltern hatten im Sägewerk, als Busfahrer oder als Krankenschwester gearbeitet. Cheryl Whitaker, die im schwarzen Viertel der Kleinstadt Washington in Georgia aufwuchs, erklärte zu Hause schon als Neunjährige, dass sie Ärztin werden wollte – ohne wirklich zu wissen, was das hieß. »Obwohl ich in der Schule nur gute Noten hatte, fand keiner, dass man als Mädchen so etwas werden konnte«, berichtete sie rückblickend. [50] Um Geld zu verdienen, lernte Cheryl Klavierspielen und begleitete von ihrem dreizehnten Lebensjahr an den Kirchenchor.
Wie Barack Obama wuchsen auch Marty Nesbitt und Eric Whitaker mehr oder weniger vaterlos auf; ihre Väter waren gefangen in einem Netz aus beruflichen und privaten Problemen und interessierten sich wenig für ihre klugen, strebsamen Söhne. Nesbitts Vater, ein arbeitsloser Stahlarbeiter, nahm erst Notiz von seinem Sprössling, als dieser in der Highschool ein Basketball-Star wurde. Und bei dem einzigen Besuch von Obama senior auf Hawaii schenkte er seinem Sohn Barack zum Abschied einen Basketball. »Bis Mitte zwanzig«, so Nesbitt, »war mein wichtigstes Ziel, nicht so zu werden wie mein Vater.« Obama äußerte sich ähnlich.
Aber jeder der Freunde besaß auch einen Elternteil, der davon überzeugt war, dass Bildung das einzige Mittel zum Aufstieg und zur Überwindung von Vorurteilen sei. In Indonesien wurde der junge Barack jeden Morgen bereits gegen vier Uhr von seiner Mutter geweckt, um Englisch zu üben. Und Marian Robinson kaufte zusätzliche Lese- und Rechenbücher, damit ihre Kinder anderen Schülern immer einen Schritt voraus waren. »Wissen ist ein Gut, das dir keiner nehmen kann«, zitierte Craig Robinson seine Mutter. Eric Whitaker, Nesbitt und seine spätere Frau Anita Blanchard bekamen Stipendien für Privatschulen, und ein Biologielehrer empfahl Cheryl Whitaker für ein Bundesprogramm, in dem farbige Schüler in den Sommerferien auf das Medizinstudium vorbereitet wurden. »Der Sommer veränderte mein Leben«, erklärte sie. »Der Besuch einer Medizinischen Fakultät lag plötzlich im Bereich des Möglichen.« Die sechs studierten schließlich an den besten Colleges und Universitäten der Vereinigten Staaten. An der Northwestern University motivierte Anita Blanchard ihre farbigen Kommilitoninnen, all ihre Energie ins Studium zu investieren, und für die Schwächeren suchte sie Tutoren.
Obama erfuhr vom Tod seines Vaters, den er kaum gekannt hatte, durch einen Anruf während des Frühstücks in seiner Studentenwohnung unweit der Columbia-Universität. Nesbitt büffelte gerade für sein Examen in Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Chicago, als ihn ein ähnlicher Anruf ereilte.
Anteilnahme, Freundschaft und Unterstützung erfuhren die Freunde an ihren Eliteuniversitäten durch die wenigen Studenten mit ähnlichem Hintergrund. Barack Obama und Eric Whitaker lernten sich kurz vor dem Examen beim Sport an der Universität Harvard kennen. »An den Eliteuniversitäten gab es wenig ethnische Vielfalt – höchstens auf dem Basketballfeld liefen einem schwarze Studenten über den Weg«, erklärte Whitaker. Einige Jahre später traf Nesbitt in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Chicago erstmals den Kommilitonen Craig Robinson unter vergleichbaren Umständen. Nesbitt freundete sich mit seiner späteren Frau Anita Blanchard an, die – wie Eric Whitaker – auf dem Nachbarcampus Medizin studierte. Und um das Bild abzurunden: Die beiden zukünftigen Ärzte fanden in James E. Bowman, Valerie Jarretts Vater, einen hilfreichen Mentor.
Gelegentlich wurden die Studenten auch mit handfesten Vorurteilen konfrontiert: So zog Michelles ursprüngliche Zimmergenossin in Princeton auf Druck ihrer Eltern aus dem gemeinsamen Zimmer wieder aus; sie sollte nicht mit einer Schwarzen zusammen wohnen. Doch verglichen mit den Erfahrungen ihrer Eltern, wurden die Freunde während ihrer Ausbildung und späteren Karriere
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