Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
aufsehenerregender Mann, der Zehntausende von Kilometern gekommen war, um im Triumphzug die Straße der so hochentwickelten Englischsprachigen hinaufgeführt, mit Spott und Zeremoniell empfangen und dann zum Wall geschickt zu werden wie ein mit Schellen behangener Ziegenbock.
    Er haßte sie leidenschaftlich. In ihnen erkannte er die ganze konzentrierte Fäulnis, den ganzen nutzlosen Niedergang der Zweitgeborenen.
    Er haßte sich selbst. Er hatte überlebt. Das plötzliche Ende seiner Gefährten, jener unverständliche Ausbruch von Gewalt, der einen Schlußstrich unter ihre Reise gezogen hatte, hing wie ein totes Gewicht an seinen Füßen und verlangsamte seinen Gang. Wächter stießen ihn vorwärts.
    Nur zwei der Dünnen begleiteten ihn. Der dritte blieb zurück, wie es Teil der Vereinbarung war. Die anderen würden zusammen mit ihm die acht Kilometer den Hang hinaufklettern.
    Die Straße endete am Wall. Man übergab ihm einen Tornister voller Nahrung und eine Kletterausrüstung. Die Nichtmenschen erhielten Stahlzylinder und in Tuch eingeschlagene Bündel. Hinter ihnen verebbte der Lärm der Menge.
    „Dies ist nicht unser Bewirken, Mensch“, sagte der Nichtmensch in Dunkelgrün zu ihm, als sie ihren Aufstieg begannen. „Wir haben eine Reise, genau wie du auch. Möge uns allen Erfolg beschieden sein.“
    Kiril nickte unwillkürlich. Er war der tausendste Pilger, der mit einem Narrenumzug Den Wall hinaufgeschickt wurde. Der letzte Umzug hatte vor einem Jahr stattgefunden, vor der Ankunft der Dünnen.
    „Warum töten sie Pilger nicht einfach und lassen es damit bewenden?“ fragte er.
    „Sie können sie nicht aufhalten. Früher kamen die Pilger aus ihrem eigenen Volk; sie können den inneren Drang nicht leugnen, der sie Den Wall hinauftreibt. Er ist eine verbürgte Tatsache. Auch können sie das nicht leugnen, was passiert, wenn Pilger zurückkehren.“
    „Einige sind zurückgekehrt?“
    Die Gestalt in Grün war einen Augenblick lang still. Die zweite, in Schwarz gekleidete, hielt im Klettern inne und wandte ihre silbrige Maske Kiril zu. Ein dünner, winselnder Laut drang unter dem Umhang hervor.
    „Seit zehn Jahren hat es keine Pilger mehr aus diesem Land gegeben“, fuhr die erste fort. „Die Wanderungen begannen erst vor zwanzig Jahren. Weiteres Erfahren. An anderen Orten und längs anderer Abschnitte Des Walls haben die Pilgerströme in den letzten Monaten tausendfach zugenommen. Manche Städte sind seit dem Fall des Turms regelrecht überflutet. Sie werden alle von einer Sache angetrieben – der, die wir aus deinem Gedächtnis gezogen haben –, dem Verlust eines Gefährten oder einer Gefährtin. Es sind gleichermaßen Weibchen und Männchen darunter.“
    „Warum geschieht das alles?“
    Die geheimnisvolle Silbermaske war wieder still.
    „Wißt Ihr es nicht?“
    „Nein, nicht“, sagte die Gestalt in Schwarz. „Sie ziehen, um ein Märchen“ – wieder das Winseln – „in sich zu stillen. Die meisten werden auf der Reise getötet. Die meisten sind bereits Staub oder Schlamm. Aber du hast überlebt.“
    „Nicht ohne Hilfe. Ich schulde mein Leben viele, viele Male –“ Er unterbrach sich verbissen und schüttelte den Kopf.
    „Nirgendwer wird je dein Volk begreifen, oder unseres“, sagte der erste.
    „Ich habe vor, es zu versuchen“, schloß Kiril.
    Acht Kilometer Den Wall hinauf würde es einen kreisförmigen Eingang geben. Die Höhle, zehn Meter im Durchmesser und fünfzig tief, würde an einer glatten, unüberwindlichen Barriere enden. Wenn er sich als würdig erwies, würde sich die Barriere für ihn öffnen. Wenn nicht, würde er möglicherweise bei dem Versuch sterben, wieder den Hang hinunterzukommen, zu sehr demoralisiert, um vorsichtig zu sein. Wie auch immer, die Englischsprachigen würden ihn nie wiedersehen.
    Die Wolken badeten sie in kalte, gleichgültige Wellen.
    Kiril luchste ihnen weitere Informationen ab, während sie kletterten. Er erfuhr, daß alle dreißigtausend Kilometer Obelisken fielen – der Obelisk in Weggismarche sei nur der ihnen am nächsten gelegene – und ungeheure Mengen von Leben vernichteten. Aber die Menschen, die in das entblößte Land zurückkehrten, seien jetzt in der Lage, den Großteil der Obeliskentexte zu betrachten. Das bedeutete, daß bald die meisten Menschen Hegiras die Geschichte und die Errungenschaften der Erstgeborenen kennen oder zu kennen gezwungen sein würden. Dann würden sie akzeptieren müssen, was sie waren.
    Er dachte nicht an Elena

Weitere Kostenlose Bücher