Die Ochsentour - Mit BUK auf Deutschland Tour
Springbrunnen. Eine Lesung, die ich in Hamburg geben sollte, rückte auch immer näher. Ich hatte mich mit den Lesungen immer noch nicht angefreundet; ich ließ mich vollaufen und legte mich dann mit dem Publikum an. Ich schreibe nicht, um das dann vorzulesen, aber es lohnt sich mit Sicherheit. All die Dichter, die ich kenne, und ich kenne zuviel von ihnen, geben gerne Lesungen. Ich hatte immer den Eindruck von mir gehabt, ein Eremit zu sein, ein Versager, aber meine Dichterkollegen scheinen sehr extrovertiert zu sein, sehr umgänglich. Ich kann sie nicht leiden, ich gehe ihnen aus dem Weg. Carl lud uns abends zu sich zum Essen ein. Ich sagte:
»In Ordnung, aber wir brauchen Wein.«
Wir gingen also aus dem Hotel raus und kauften mengenweise Wein. Wir haben uns auch Regenmäntel besorgt. Es hat die ganze Zeit geregnet. Der Rhein war über die Ufer getreten. Sie nannten das die Jahrhundert Flut.
Ich habe schon immer schreckliche Wetterverhältnisse ausgelöst, wo ich auftauchte. Einmal hatte ich in Illinois eine Lesung, und tags drauf wurde der Staat von dem schlimmsten Tornado seiner Geschichte heimgesucht, und einen Monat später starb der Dichter, der die Lesung organisiert hatte. Ein ander Mal hatte ich eine Lesung im Museum of Modern Art in Houston, und nach meiner Abreise kam es zu einer Überschwemmung, die das Museum mit Kunstgegenständen im Wert von anderthalb Millionen Dollar zerstörte. Das nächste Mal hatte ich eine Lesung im California Institute for the Arts, und später im Haus des Professors in den Bergen tranken wir Scotch, und ich schielte nach den Beinen seiner Frau, als plötzlich Geier über dem Dach kreisten und einer sogar im Hof landete. Das ist der Grund fiir meine hohen finanziellen Forderungen für solche Lesungen: ich weiß nie, ob ich da wieder heil rauskomme.
Wir lernten Waltraut, Carls Frau, und Mikey, seinen Sohn, kennen. Ihre Katze auch. Mikey ritt der Feuerteufel. Er zündete all unsere Zigaretten an. Am liebsten hätte er alles in Brand gesteckt.
Er war besessen vom Feuer, Feuer war sein ein und alles. Wir tranken und unterhielten uns. Ich sagte ihm, daß Barbet Schroeder nach Mannheim kommen wolle, um uns seinen Film »Koko« zu zeigen. »Koko« war noch nicht für die Kinos freigegeben worden. Ich wollte, daß Carl und Barbet sich kennenlernten, beide waren seltsame Originale.
Wir tranken und warteten aufs Essen. Dann kam es, und mit ihm der Kater, der auf meine Portion scharf war. Er war ein ziemlich freches Biest, dieser deutsche Kater. Und Waltraut war schön und sympathisch. Und Mikey war nicht zu bremsen, ein wahres Energiebündel. Um Deutschlands Zukunft brauchte man sich mit ihm keine Sorgen zu machen-es sei denn, er würde es ganz in Brand stecken.
Nach dem Essen mußte Mikey ins Bett, und wir tranken weiter. Carl trank mit, aber er war kein Säufer; er trank meinetwegen mit, und wir tranken ganz ordentlich. Es gibt nichts, das sich einen so schnell wie zu Hause fühlen läßt, wie wenn man trinkt, die Flasche kennt keine Sprachbarrieren. Nach ein paar Stunden pflanzten wir uns in ein Taxi, Linda und ich, und fuhren zurück. Ich weiß davon nichts mehr, auch nicht vom Rest der Nacht. Aber wir hatten einige Flaschen mitgenommen und noch die eine oder andere getrunken, und Linda erzählte mir, ich sei ins Badezimmer gegangen und habe zu singen und zu schreien angefangen, es sei wie in einem schalldichten Raum gewesen.
»Amsel! Amsel! Mach’s gut, Amsel!«
»Amseln sterben! Alles stirbt, stirbt, stirbt!«
»Wassermelonen und Hunde sterben! Frösche und Häuser! Nutten und Fische!«
»Amsel, Amsel, Amsel, mach’s gut!«
Ich habe die Amsel da so 25 bis 30 Minuten besungen. Dann sei Linda ins Badezimmer gekommen und habe mich gebissen. Danach sei ich aus dem Badezimmer raus, ins Bett gegangen und sei eingeschlafen.
12
Barbet kam zum Park Hotel, lernte Carl kennen, wir gingen Wein holen, kamen zurück, bauten den Projektor auf, um »Koko« zu sehen. Keiner von uns wußte so richtig, wie man mit dem Projektor umgeht, ich am allerwenigsten. Deswegen ernannte ich mich offiziell zum Mundschenk. Die Wände waren weiß, was von Vorteil war, und endlich kriegten wir das Ding auch in Gang.
Koko war ein Gorillaweibchen, das 300 Wörter in der amerikanischen Zeichensprache kannte. Mit anderen Worten, sie konnte uns mit ihren Fingern sagen, was sie wollte, was sie fühlte und so weiter. Es war mit Sicherheit der Durchbruch zwischen Mensch und Tier,
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