Die Oder gluckste vor Vergnügen
gerunzelter Stirn entgegen, längst nicht so unbekümmert wie Bibi. »Tag, Rex«, sagte sie kühl. »Eigentlich müßtest du was zu hören kriegen, das ist doch wohl klar.«
»Klar ist, daß ich mich da in Swinemünde nicht anhängen konnte«, sagte ich. »Es war so die Fünfte-Rad-am-Wagen-Situation.«
»Aber du meinst, wir sollen uns bei dir anhängen? Ich glaube, es war ein Fehler, dir zu folgen.«
»Die Offiziere werden euch jedenfalls sehr vermissen«, sagte ich.
»Du tust, als seien wir Marketendermädchen aus dem Dreißigjährigen Krieg«, rief Cotta. »Ich finde, das ist beleidigend. Ich wäre auch nicht gekommen, wenn Bibi nicht so gedrängt hätte.«
»Du hast gedrängt«, sagte Bibi.
Die Debatte näherte sich dem Höhepunkt, als ein Wächter erschien und mir erklärte, das Boot müsse verschwinden. Es störe da, denn dies sei ein Dienstkai. Er half uns, das Gepäck an Bord zu bringen.
Ehe ich mich versah, tuckerten wir im heftigsten Streit im Hafen umher. Mit Gerda in der Klappe.
»Bilde dir nicht ein, daß wir deinetwegen gekommen sind!« rief Cotta. »Unsere Stunden in Swinemünde waren sowieso gezählt. Es war teuer dort, und die Bootsmiete marschierte ja immer im Geiste mit. Außerdem lassen wir uns von dir nichts schenken. Die Reparaturkosten werden geteilt.«
»Mein Vater hat mir telegrafisch fünfzig Mark geschickt«, sagte Bibi. »Cotta hat recht. Wir machen reinen Tisch.«
»Es brennt mir direkt auf den Nägeln«, sagte Cotta.
»Dann halte deine Hände in kaltes Wasser«, sagte ich. »Und komm mir nicht mit so kindischem Kram. Wenn das das einzige ist? Ihr hättet bleiben sollen, wo der Pfeffer wächst!«
»Ei!« sagte Cotta. »Wirst du wieder ausfallend? Bibi, er kriegt seinen Koller!« Sie ging auf den Bug und warf die Tür hinter sich zu.
»Pfui, Rex«, sagte Bibi, »ist das eine Begrüßung.«
Ich konnte ihr nicht sagen, daß ich so nervös war, weil Gerda Millbratt in der Klappe lag. Ich erklärte, ich müsse unbedingt an Land, ein Telegramm aufgeben. »Mein Verlag muß Nachricht haben, wann das Märchen fertig ist.«
»Das hat doch wohl Zeit«, sagte Bibi. Sie setzte sich mit Aplomb auf Gerdas Versteck. Durch das Hämmern des Motors drang ein erstickter Schrei. Offenbar bekam der blinde Passagier einen Anfall von Raumnot. Ich redete immer lauter und steuerte zwischen Dampferhecks, Barkassen und Schleppern mit qualmenden Schloten im Kreis.
»Was hast du denn?« fragte Bibi.
»Kein Öl mehr«, sagte ich. »Wir müssen anlegen. Wir müssen unbedingt...«
Da begann Gerda im Kasten um Hilfe zu schreien. Die Tragödie vollzog sich im dichtesten Hafengewühl. Bibi sprang auf, die Klappe öffnete sich, und mit erhitztem Gesicht tauchte Gerda auf.
Bibi starrte sie an wie ein Seegespenst. Ihre Reaktion war überraschend. Ich hatte mich auf fliegende Fetzen und zerkratzte Gesichter gefaßt gemacht. Statt dessen fing Bibi an zu lachen. Sie lachte immer mehr. Schließlich kreischte sie laut. Cotta kam herein.
»Da!« schrie Bibi.
»Ich wollte nur nach Stettin«, stammelte Gerda. »Ich...«
»Gerade als Piratenbraut!« schrie Bibi. »Der Rex hat sie gekapert! Cotta, der Rex hat...«
Cotta lachte auch.
»Es ist ganz einfach zu erklären«, sagte ich. »Sie wollte ein Stück mitfahren.«
»In der Kiste!« quietschte Bibi.
»Sie hat sich versteckt, weil sie dachte, der Vater stehe am Kai.«
»Ich kann nicht mehr lachen«, rief Bibi. »Gerda als Seeräuberschatz! Habt ihr euch auch geküßt?«
»Und wenn!« erwiderte Gerda trotzig.
»Macht nichts«, sagte Bibi souverän. »Rex kennt Mädchen, die’s besser können. Wetten, liebe Gerda?«
»Bibi!« sagte Cotta scharf.
»Du bist gemein!« rief Gerda.
»Wer ist gemein?« fragte Bibi schneidend. »Wer schickt Zettel in der Klasse herum mit lauter Lügen über mich und Herrn Klein?« (Das war der Musiklehrer.)
»Und über mich«, sagte Cotta, »daß ich mit meinem Geigenprofessor was hätte!«
Und das alles im dicksten Hafengewühl! Ich steuerte entschlossen eine Lücke am Kai an. Inzwischen drohten sie sich gegenseitig mit Skandalen.
»Ihr mit euern Leutnants!« rief Gerda. »Na, paßt auf!«
»Wenn Cotta an die Tafel malt, wie du hier aus der Klappe gekrochen bist!« rief Bibi hohnlachend.
»Und wenn ich sage...«
»Dann sagst du überhaupt nichts mehr«, erklärte Cotta kalt. »Wie du schon guckst! Das leibhaftige schlechte Gewissen! Weil du dir dein Vergnügen erstohlen hast! Ich kenne dich doch!«
Da legte ich meinen
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