Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Odyssee des Captain Roadstrum

Die Odyssee des Captain Roadstrum

Titel: Die Odyssee des Captain Roadstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Lafferty
Vom Netzwerk:
sagte Deep John, der Hobo.
    „Mann, der machte vielleicht ein unheimliches, trauriges Geräusch. Und das Rattern der Räder auf den Schienen … Komisch, ich höre jetzt Räder über Schienen rattern.”
    „Ich auch”, sagte Roadstrum. „Aber wie kann das sein, wenn wir mit tausendfacher Lichtgeschwindigkeit durch den Raum fliegen?”
    „Roadstrum”, rief Puckett von der anderen Hornisse, und seine Stimme klang alt und matt. „Ich bin zu einem glatzköpfigen, dickbäuchigen, übellaunigen Greis geworden. Ich habe keine Zähne mehr und kann kaum noch sehen. Das gefällt mir nicht.”
    „Mir gefällt es auch nicht, daß ich ein alter Mann geworden bin, Puckett. Sind schon einige Ihrer Männer gestorben?”
    „Ja. Ungefähr die Hälfte. Und es ist auch besser so. Man kann sie zu nichts mehr gebrauchen, wenn sie in dieses Alter kommen. Ich möchte mich jetzt von Ihnen verabschieden, Roadstrum. Ich bin zu alt und gebrechlich, um zu Ihnen hinüberzukommen.”
    „Ich werde es noch einmal versuchen”, sagte Captain Roadstrum.
    Er verließ die Hornisse. Es hatte ihm immer Spaß gemacht, sich außerhalb des Schiffes im freien Raum zu bewegen. Aber jetzt fand er es nur unangenehm und schwierig. Er schaffte es nur mit Mühe, wieder ins Schiff zu gelangen. Aber er war stolz auf seine Leistung.
    „Ich habe ja immer gesagt, daß ich hundert Jahre alt werde”, sagte er zu Margaret, der Houri. „Sieh mich doch an. Bin ich nicht ein Prachtexemplar für einen Mann von vierundneunzig? Sag’ mal, wirkt es eigentlich auch auf dich?”
    „Aber, Captain Roadstrum. Zwanzig oder einundzwanzig Jahre sind doch kein Alter! Nein, ich altere nicht so rasch wie ihr, aber ich altere. Doch das stört mich nicht. Ich mag mich, wenn ich jung bin, und ich mag mich, wenn ich alt bin. Ich wette, ich mag mich sogar noch, wenn ich zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig Jahre alt bin.”
    „Wo sind eigentlich die anderen?” fragte Captain Roadstrum.
    „Tot, gestorben.”
    „Alle?”
    Sie nickte. „Alle außer Deep John.”
    Roadstrum fand den Hobo in seiner Kabine. Er lag auf der Couch und blickte Roadstrum mit müden Augen an.
    „Ja, ich bin der letzte, Roadstrum”, sagte der alte Hobo. „Und jetzt bin auch ich an der Reihe. Vor ein paar Jahrhunderten habe ich eine Art Aufschub gewonnen. Bei einem Pokerspiel mit einer gewissen Macht. Aber jetzt ist sowohl mein eigentliches als auch mein zusätzliches Leben aufgebraucht”, sagte Deep John.
    „Es war kein schlechtes Leben”, sagte Roadstrum „alles in allem. Ich bin nur enttäuscht darüber, daß zwei Drittel davon innerhalb eines einzigen Tages verstrichen sind. Kommt mir irgendwie unfair vor. Aber wir haben das Kalb getötet, und das war vielleicht ein Fehler. Wir hätten wissen müssen, daß diese seltsamen Rinder irgend jemandem gehören müssen. Was ist denn, Deep John? Stirbst du?”
    „Es ist Zeit”, sagte der Hobo und starb.
    „Lebt noch jemand auf der anderen Hornisse?” rief Captain Roadstrum über das Funkgerät.
    „Keiner außer mir”, meldete sich Matrose Oldfellow mit zitternder Greisenstimme. „Und mit mir geht es auch in ein paar Minuten zu Ende. Es ist komisch, Captain Roadstrum. Sie haben mich Oldfellow genannt, weil ich der Jüngste an Bord war, und der Name ist mir geblieben. Und irgendwie habe ich immer das Gefühl gehabt, niemals alt zu werden. So, und jetzt muß ich sterben. Wahrscheinlich werden wir uns nicht wiedersehen. Aber wenn es doch ein anderes Leben geben sollte, besuchen Sie mich doch mal.”
    „Bestimmt, Oldfellow. Angenehmes Sterben.”
    Margaret, die Houri, hatte gerade einen kleinen Kuchen gebacken.
    „Alles Gute zum Geburtstag, Captain Roadstrum”, rief sie fröhlich.
    „Was … was ist denn, Margaret?” fragte Roadstrum verwirrt.
    „Du bist eben hundert Jahre alt geworden. Na los, nun iß schon.”
    „Keine Zeit mehr, Margaret”, sagte Roadstrum. „Ich bin der letzte hier, und jetzt ist auch meine Zeit gekommen.”
    Und er legte sich hin und verfiel in einen Todesschlummer. Er mußte schon mindestens hundertacht Jahre alt sein. Die Zeit raste jetzt.
    „Du bist genau wie die anderen”, sagte Margaret. „Wie kommst du eigentlich darauf, daß du anders sein könntest?”
    Roadstrum schnarchte in seinem Todesschlummer.
    „Um eine Languste zu kochen, muß man zuerst eine Languste nehmen … wachst du eigentlich gar nicht wieder auf, Roadstrum? – ,Den letzten möglichen Augenblick versäumt’, würde Deep John sagen, und der ist

Weitere Kostenlose Bücher