Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
nicht nur hinter den Kulissen aus. Das unterscheidet sie von den meisten anderen Familien, die in der deutschen Wirtschaft eine Rolle spielen. Etliche Familienmitglieder haben sich in Parlamente und Verbände begeben, um Politik zu machen, während sich die meisten Geldgewaltigen darauf beschränken, im Hintergrund die Strippen zu ziehen. Vor allem die Frauen der Familie Oetker waren und sind bereit, auf die politische Bühne hinauszutreten und für ihre Überzeugungen öffentlich zu streiten. Arend Oetker agiert seit Jahrzehnten selbstbewusst im öffentlichen Raum und auf der internationalen Bühne.
|385| Die Oetkers sind auch in der fünften Generation eine Familie von Unternehmern. Es genügt ihnen nicht, ihr Vermögen von Bankiers oder Managern verwalten und vermehren zu lassen. Sie haben den Drang, selbst tätig zu werden. Mögen andere Familien nach der Regel handeln, dass Clanangehörige grundsätzlich keine Führungspositionen in den Unternehmen einnehmen dürfen, bei den Oetkers ist der Einsatz von Familienmitgliedern an der Spitze der Gruppe ausdrücklich erwünscht.
Die Familie hat in den vergangenen 140 Jahren eine ungewöhnlich große Zahl unternehmerischer Talente hervorgebracht. Angefangen vom Krefelder Seidenfabrikanten Albert Ferdinand Oetker über den Marzipanhersteller Louis Carl Oetker oder Louis Dohme, der 1860 in Baltimore in eine kleine aufstrebende Arzneimittelfirma einstieg, die bis heute fortbesteht: als Teil des US-Pharmariesen Merck, mit dem Sharp & Dohme im Jahr 1953 fusionierte.
Dass die Oetkers schon im deutschen Kaiserreich eine Sippe von Unternehmern waren, bot Vorzüge bei der Ausbildung des Nachwuchses: Etliche Mitglieder der Familie begannen ihr Berufsleben als Lehrlinge im Betrieb des Onkels. Der Clancharakter der Familie war auch von Vorteil bei dem Bemühen, solche Unternehmen im Familienbesitz zu halten, deren Gründer früh verstorben waren wie der Marzipanfabrikant Louis C. Oetker.
In Bielefeld verband sich die Familie Oetker nach dem Tod des Gründers und seines einzigen Sohnes nicht zufällig mit den Kaselowskys, die ebenfalls eine traditionsreiche Fabrikantenfamilie waren. Dahinter stand dynastisches Kalkül, wie es bis auf den heutigen Tag immer wieder in der Familiengeschichte erkennbar wird – wenn etwa Alfred Oetker, der mütterlicherseits ein Spross der Münchmeyer-Dynastie ist, eine italienische Prinzessin Grimaldi zur Ehefrau nimmt.
Der Oetker-Clan praktiziert eine ungewöhnliche Eintracht, was sich beispielsweise darin zeigt, dass mit Roland Oetker ein Angehöriger der »ärmeren« Linie im Beirat der Bielefelder Unternehmensgruppe sitzt. Dessen Bruder Arend Oetker kooperiert ebenfalls geschäftlich mit dem Konzern der Cousinen und Vettern.
|386| Der unternehmerische Erfolg der Oetkers lässt sich aber auch durch eine Vielzahl von Faktoren erklären, die außerhalb der Familie liegen. So hatten die Oetkers häufig Rückenwind. Kaum ein anderes deutsches Unternehmen profitierte auf so mannigfaltige Weise von den Bedingungen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg wie Oetker – von der Währungsreform, die alle Sachwertbesitzer begünstigte, über den Nachholhunger und die Fresswelle, die speziell den Nahrungsmittelproduzenten viel Geld in die Kassen spülten, bis hin zu den Steuervergünstigungen für Schiffbau und Wohnungswirtschaft, die Oetker zugute kamen.
Andererseits war es aber ohne Zweifel auch ein Glück für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter, dass der Konzern einer Familie gehörte. In den vergangenen Jahrzehnten war die börsennotierte Aktiengesellschaft, die einer großen Zahl von Kapitalanlegern gehört, das Leitbild eines modernen und erfolgreichen Unternehmens, in jüngster Zeit erleben hingegen die Familienunternehmen eine Renaissance ihres Ansehens. 90 Prozent aller deutschen Unternehmen sind in der Hand von Familien. Unter den Großkonzernen ist die Zahl der Familienunternehmen klein, aber ihre Erfolge sind beachtlich. Die Fondsgesellschaft DWS hat gemeinsam mit der Investmentbank Goldman Sachs 30 große Unternehmen durchleuchtet, die nach wie vor von Familien kontrolliert werden: Firmen wie BMW, Metro und Henkel. Die Experten sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Familienkonzerne im Durchschnitt deutlich besser entwickelt haben als Unternehmen mit einer großen anonymen Eigentümerschar.
Als Gründe für die Überlegenheit inhabergeführter Unternehmen nannten die Ökonomen: sparsame Mittelverwendung und Scheu vor Schulden,
Weitere Kostenlose Bücher