Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
von dem Verbrechen herrühren, dem er 1976 zum Opfer fiel.
Die Entführung lässt ihn bis heute nicht los. Seit dem Prozess gegen Dieter Zlof 1979/80 hat er niemals mehr öffentlich über die Tat gesprochen. Richard habe aber kein psychisches Problem, sagte August |380| Oetker vor einigen Jahren. Allem Anschein nach ist Richard Oetker auch nicht verbittert oder hadert mit seinem Schicksal. Er wird als »grundfröhlich« und »erstaunlich humorvoll« beschrieben, als ein freundlicher und höflicher Mann mit einer Vorliebe für Ironie.
Während August, Bergit, Christian und Richard Oetker als Scheidungskinder aufwuchsen, stammt ihr jüngerer Halbbruder Alfred aus der Ehe des Vaters mit seiner heutigen Frau Maja Oetker. Sie gebar dem Konzernherrn zwei Söhne und eine Tochter und sorgte gemeinsam mit ihrem Mann dafür, dass die Kinder standesgemäß erzogen wurden. »Wir haben ihnen immer gesagt, der Name, den sie tragen, hat Vor- und Nachteile. Sie nehmen die Vorteile, indem sie in gute Schulen gehen, sich ihre Berufsausbildung aussuchen können, gutes Essen bekommen, schön wohnen dürfen – alles große Geschenke. Dafür müssen sie auch Pflichten in Kauf nehmen. Müssen sich zum Beispiel immer anständig benehmen, denn sie haben eine Verantwortung für den Namen.«
Der 1967 geborene Alfred Oetker erfüllte die Erwartungen seiner Eltern in jeder Hinsicht. Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann – so wie der Vater in den dreißiger Jahren. Danach ging Alfred Oetker ins Ausland und sammelte bei Privatbanken in Frankreich und Spanien Berufserfahrung. 1990 kehrte er zum Studium nach Deutschland zurück und schrieb sich an der Universität Passau im Fach Betriebswirtschaftslehre ein.
Fünf Jahre studierte Alfred Oetker dort, unterbrach diese Zeit aber, um als Gaststudent nach England zu gehen. Am Balliol College in Oxford erweiterte er seinen akademischen Horizont über das Kaufmännische hinaus, belegte Philosophie, Politik und Volkswirtschaft. Sein Diplom erwarb Oetker in Passau, anschließend ging er nach Leipzig, um an einer Dissertation zu arbeiten. Fast drei Jahre verbrachte er dort an der Handelshochschule und schrieb an seiner Doktorarbeit über »Stakeholderkonflikte in Familienkonzernen« – ein Thema, das für ihn und die Geschwister von großem praktischem Nutzen ist.
In seiner Arbeit untersuchte Alfred Oetker systematisch die Felder, auf denen es in Familienunternehmen zu Streit kommen kann: von der |381| Höhe der Ausschüttung über die Auswahl von Familienangehörigen für die Firmenführung bis hin zu Verkaufswünschen einzelner Familienzweige. Er zeigte, dass nicht nur Unternehmen gemanagt werden müssen, sondern auch die hinter ihnen stehenden Familien, wobei allerdings unterschiedliche Regeln gelten: »Während ein gesunder Wettbewerb im Unternehmen angestrebt wird, ist man innerhalb der Familie vielmehr bemüht, die Einigkeit und Harmonie zu erhalten.« Alfred Oetker erarbeitete in seiner Dissertation eine Vielzahl praktischer Vorschläge, wie Konflikte in Familienunternehmen vermieden oder gelöst werden können.
Der Konzernerbe brauchte für die Dissertation länger als geplant. Als er die Arbeit geschafft hatte, dankte er seinen Eltern für ihre Geduld und ihr Verständnis »während gelegentlicher Durststrecken auf dem Weg zur Promotion«. Als er im April 1999 promoviert wurde, stand er bereits ein halbes Jahr in Diensten einer großen Familienfirma, die seit fast 100 Jahren mit den Oetkers freundschaftlich verbunden ist: Henkel in Düsseldorf. Dass Henkel-Chef Lehner Mitglied im Oetker-Beirat war, dürfte die Bewerbungsformalitäten verkürzt haben. Alfred Oetker arbeitete im Marketing für Henkel-Kosmetikprodukte. Er lernte ein fremdes, aber vergleichbares Unternehmen kennen, bevor er im Oetker-Reich eine erste Führungsaufgabe übernahm.
Nicht nur mit dem Doktortitel erfüllte Alfred Oetker die Erwartungen, die seine Eltern in ihn gesetzt hatten. Auch mit der Wahl seiner Ehefrau erfreute er den adelsbegeisterten Vater und die von Geburt an adelige Mutter. Im September 2001 heiratete der Konzernerbe die zwei Jahre jüngere italienische Prinzessin Elvira Grimaldi di Nixima. Sie ist eine entfernte Verwandte des Fürsten von Monaco.
Alfred Oetker hatte seine Frau zwei Jahre zuvor auf einer deutschitalienischen Hochzeit am Ammersee kennen gelernt. Ihre Familie bewirtschaftet in Sizilien ein großes landwirtschaftliches Gut, auf dem auch die Tochter, eine studierte
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