Die Oger - [Roman]
in den Bergen und werden ihr Möglichstes tun, um Unheil abzuwenden.«
Cindiel konnte nicht fassen, was sie da hörte.
»Um Unheil abzuwenden? Brakbar ist bei ihnen. Das ist bereits großes Unheil. Wir können froh sein, wenn er nicht einen eigenen Krieg mit den Zwergen beginnt. Wir müssen zusammenbleiben und die Menschen warnen. Wir brauchen einander.«
»Man kann die Menschen nicht warnen«, erklang eine erstickte Stimme aus dem Käfig an der Decke. »Man muss sie lenken.«
Sofort fuhr Rator herum, die Axt zum Schlag bereit. Niemand hatte es für nötig erachtet, den verrußten Körper des Mannes näher zu untersuchen.
»Der Mann lebt«, rief Cindiel und eilte zu ihm. »Vielleicht kann er uns weiterhelfen.«
Cindiel schob ihre Hand zwischen den Gitterstäben hindurch und bereitete einen Heilzauber vor. Ihre Finger glitten über die rußige Stirn des Mannes, und aus ihrem Mund erklang eine seltsame melancholische Melodie. Sie wusste, dass sie den Mann nicht auf die Schnelle vollständig heilen konnte. Doch sollte er die nächsten Stunden über eine Linderung seiner Schmerzen erfahren. Nach einigen Augenblicken entkrampfte sich der Körper des Mannes. Langsam tasteten seine Finger nach den Gitterstäben des Käfigs. Unter enormer Anstrengung zog er sich daran hoch und setzte sich auf. Sein Körper war schwer geschunden, aber in seinen Augen leuchtete die Kraft eines jungen Mannes.
»Bring mir einige der Laken da drüben«, ordnete Cindiel an. Ihr Befehlston war den Ogern nicht mehr fremd, und so gehorchten sie ihrer Anweisung ohne Widerrede.
»Wird nicht wieder gesund?«, fragte Rator und warf dem Mann die Laken durch die Gitterstäbe über den Kopf.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Cindiel ärgerlich.
Rator zeigte etwas unsicher auf den abgedeckten Leichnam von Matscha.
Cindiel kniff die Augenbrauen zusammen. »Rator, das da ist ein erwachsener, nackter Mann und ich bin ein Kind. Wofür tragt ihr eigentlich eure Kleidung?«
Rator schaute an sich herab und überprüfte seine Sachen.
»Schuhe für spitze Steine. Beinschienen Schutz. Gürtel zum Tragen. Armschienen gegen Schlag ...«, zählte er auf, bis Cindiel ihn unterbrach.
»Ist schon gut. Nimm es einfach so hin. Und zieh dem Mann das Laken vom Kopf. Ich glaube, er hat gute Chancen, zu überleben.«
Nachdem der Mann im Käfig die Laken um sich geschlungen hatte, bog Mogda das Schloss mit bloßer Hand auf und half ihm heraus.
Cindiel reichte ihn einen Wasserschlauch und einen Kanten Brot aus ihrem Proviantbeutel. Gierig schlang er die kleinen Happen hinunter, während ihr Zauber das Übrige tat.
»Du bist die Nichte der alten Gerba aus Osberg, stimmt's?«, fragte der Mann, als er satt genug war, um sie zu mustern.
»Ja, genau«, sagte Cindiel erstaunt. »Bist du auch aus Osberg? Wie ist dein Name?«
Der Mann leerte den letzten Schluck aus dem Wasserschlauch und drehte diesen dann in den Händen.
»Ja, ich wurde aus Osberg hierhergeschickt. Mein Name ist Haran.«
Cindiel und Mogda warfen sich fragende Blicke zu. Sie wussten beide, dass diese Antwort etwas zu einsilbig war. Sie waren sich nur nicht sicher, ob sie wirklich alles wissen wollten.
»Wie meintest du das vorhin, man kann sie nur lenken?«, fragte Mogda und beugte sich zu dem ehemaligen Gefangenen hinunter. Der Umstand, dass ihn der Anblick zweier Oger in Begleitung eines kleinen Mädchens ziemlich kaltließ, deutete auf eine Zusammenarbeit mit Lord Felton hin, dem Einzigen, der von ihnen wusste.
»Um eine Entscheidung von einem König zu bekommen, müsst ihr zuerst Dutzende von Generälen und noch mehr Berater überzeugen. Dann erst werden die Angelegenheiten im Rat besprochen, und wenn sie dort abgesegnet werden, dann gelangen sie an das Ohr des Königs. Die ganze Angelegenheit dauert länger als eine Schwangerschaft. Bis eine Entscheidung fällt, ist der Krieg schon längst vorüber.«
Haran erhob sich und war jetzt auf gleicher Höhe mit Mogda.
»Wir wollen den Krieg nicht verhindern«, sagte Mogda. »Wir wollen ihn nur so lange hinauszögern, bis wir wissen, was die Meister planen. Die Nesselschrecken spielen die Armeen beider Seiten gegeneinander aus, um ihrem eigenen Gott zu huldigen. Das wollen wir verhindern.«
»Der Meister, der mich hier gefangen hielt, hat von seinem Gott gesprochen«, fügte Haran hinzu. »Er sagte, alle würden in seinem Namen sterben. Vielleicht planen sie, mit einem gewaltigen Zauber die Armeen beider Seiten zu opfern.«
Einen Moment
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