Die Oger - [Roman]

herrschte Schweigen, während alle über diese ungeheuerlichen Worte nachdachten. Keiner der Anwesenden konnte sich vorstellen, was für ein Zauber solche Macht haben könnte.
    »Hast du gesehen, wohin der Meister verschwunden ist?«, fragte Mogda schließlich Haran.
    »Er ist dort drüben durch das Tor verschwunden. Von Zeit zu Zeit benutzen sie es, um in andere Regionen des Landes zu reisen. Leider ist es von hier aus nicht zu aktivieren.«
    Cindiel erhob sich und blickte an der Säule vorbei zu dem torähnlichen Gebilde. Ihr fiel die verkrustete hellgrüne Blutspur auf, die direkt bis vor das Tor verlief und dann abrupt endete.
    Langsam ging sie darauf zu. Mogda folgte ihr wortlos. Vorsichtig betastete sie den gekrümmten Torbogen.
    »Das ist ein Dimensionstor«, erklärte sie Mogda. »Es gibt Tore, die immer geöffnet sind. Man kann von einem Tor zum anderen springen. Dieses hier ist ein Runentor. Ein Tor steht im Zentrum und ist der Knotenpunkt für alle anderen Tore. Erst durch das Haupttor öffnet sich der andere dazugehörige Durchgang und bleibt nur für eine bestimmte Zeit geöffnet. Wenn die Zeit verstrichen ist, verschließt es sich und ...
    »... man muss zu Fuß laufen«, vollendete Mogda den Satz. Rator sah aus, als habe er direkt nach den Worten »Das ist« den Faden verloren.
    Langsam fuhr Cindiel die Vertiefungen im Bogen mit ihren Fingern ab.
    »O S B E R G«, buchstabierte Mogda zögerlich.
    Verwundert sah Cindiel ihn an.
    »Jetzt sag nicht, du kannst die Runen lesen. Du wirst mir langsam unheimlich, Mogda.«
    Der Oger zuckte mit den Schultern.
    »Für mich ist es eine Schrift wie jede andere. Soweit ich es beurteilen kann, macht mein Amulett keinen Unterschied zwischen Schriftzeichen, Symbolen oder Runen. Es erscheint mir alles verständlich.«
    Cindiel schüttelte den Kopf. »Wo warst du, als mir meine Großmutter ständig mit den Natursymbolen und Zauberrunen auf die Nerven gegangen ist? Ich habe mir diese Schnörkel nie merken können, und du erzählst mir, du liest sie einfach so.«
    Wieder zuckte Mogda mit den Schultern, diesmal aber entschuldigend.
    Nach und nach gingen sie die Runensymbole durch. Die Tore waren quer über das Land verteilt. Osberg, Lorast, Jahalka im Lande Nelbor, und Grindmoor und Drachenhorst außerhalb. Nachdenklich schauten sie auf die fünf Namen.
    »Es muss ein weiteres geben, das nicht mit aufgeführt ist«, sagte Cindiel. »Die Runentore sind als Pentagramm verteilt. Das Haupttor ist im Zentrum.«
    Sofort zückte Mogda eine Karte, die er damals aus einem der Bücher im Turm herausgerissen hatte. Er breitete das verknüllte Papier vor sich auf dem Boden aus. Mit einem Stück Kohle zeichneten sie die Verbindungslinien zwischen den Orten ein. Das Zentrum lag in einem kleinen Waldgebiet südwestlich der Ortschaft Pagusit.
    »Dort befindet sich das Haupttor«, sagte Cindiel zuversichtlich. »Wenn wir es bis dahin schaffen und herausfinden, wie es funktioniert, können wir mit seiner Hilfe weiterreisen.«
    Rator hatte sich zu ihnen gesellt und schaute über Mogdas Schultern auf den Fetzen Pergament.
    Cindiel wollte sich bei Haran nach einer Reiseroute erkundigen, als ihr auffiel, dass der Mann verschwunden war. Niemand hatte ihn weggehen sehen.
    »Wo ist er hin?«, fragte Mogda zornig. »Wir kennen ihn nicht gut genug. Wir können ihm nicht trauen.«
    »Das braucht ihr auch nicht«, erwiderte Haran, der sich rückwärts durch die Tür der Halle zurück ins Innere schob. Er zog einen Wachsoldaten hinter sich her. Er hatte den Mann schon teilweise entkleidet und sich seiner Sachen bemächtigt.
    »Mein Weg führt mich zurück nach Osberg. Ich muss dort melden, was hier geschieht. Mit etwas Glück bekommt ihr von dort Unterstützung.«
    »Ist er tot?«, fragte Cindiel entsetzt und starrte auf den Wachsoldaten.
    »Nein, er hat im Moment nur dienstfrei. In zwei, drei Stunden wird er wieder auf dem Posten sein«, beruhigte Haran sie. »Ich weiß zwar nicht, ob ihr gewillt seid, meinen Vorschlägen zu folgen, aber dieser umsichtige Soldat, der mir netterweise seine Kleidung geliehen hat, war im Besitz eines Schreibens vom König. Er wollte es wohl bei Wachablösung morgen früh dem Hofmagier und jetzt geflohenen Meister übergeben.«
    »Sag schon, was steht drin?«, drängelte Cindiel.
    Haran rollte den kleinen Zettel aus und las vor. »An den Hofmagier Edder Listante. Bin mit den Generälen und dem Heer auf dem Weg nach Turmstein. Sammeln unsere Truppen dort, um einen