Die Oger - [Roman]
müssen.
Sie wollten keine weitere Zeit verlieren. Solange es noch dunkel war, gab es für sie eine gute Chance, unerkannt aus der Stadt zu flüchten. Haran schien mindestens genauso viel daran zu liegen, nicht gesehen zu werden. Kaum hatten sie sich entschlossen, den Plan auszuführen, machte er sich schon zum Haupttor der Halle auf. Mogda ging noch einmal zur Leiche von Matscha und deckte einen unter dem Laken hervorschauenden Fuß zu.
»Ich glaube, du hattest keine andere Wahl«, flüsterte er ihm zu. Bevor er zu den anderen zurückging, packte er das falsche Artefakt und das Amulett aus Wasserzahn wieder in seinen Rucksack, und nach kurzem Zögern nahm er auch noch einige Phiolen mit, die der Meister bei seiner Flucht zurückgelassen hatte.
»Los geht's, besorgen wir uns einen König«, sagte er und ging durch die Geheimtür in der Stadtmauer. Cindiel warf noch einmal einen Blick zu Haran, der gerade durch das Haupttor verschwand und ihr bekräftigend zunickte.
38
Ein kleines Bauerndorf
Es war sicherlich nicht einfach, die vier Katapulte durch das unwegsame Gelände zu ziehen, aber Ursadan war guter Dinge, da jeder sein Bestes gab. Die Einschüchterungen der letzten Tage taten ihre Wirkung. Von den offenen Feindseligkeiten der Oger war nur noch ein leises Getuschel untereinander geblieben. Sein Führungsstil hatte sich wieder einmal bewährt.
Sechs Oger zogen jeweils an einem der vier Belagerungsgeräte. Durch einen tragischen Unfall war eine Ogergruppe nun leider gezwungen, nur zu fünft das schwere Katapult zu ziehen. Und wie das Schicksal es wollte, war es gerade dieses, bei dem die hölzernen Räder ein wenig oval geraten waren. Ursadan hatte ihnen eingebläut, sich nicht ständig zu beschweren, sondern ihre Kraft lieber für ihre Aufgabe zu nutzen. Immer öfter fielen die fünf innerhalb des Trecks zurück, aber durch geschickte Drohungen schlossen sie schnell wieder auf.
Ursadan hatte jeden Ork angewiesen, sich nicht um den Transport der Kriegsmaschinerie zu kümmern. Jeder, der es doch wagte, den Ogern zu helfen, musste mit schmerzhaften Bestrafungen rechnen. Der Hauptmann hatte seine Leute gut im Griff, und da Selbstlosigkeit bei Orks ohnehin nicht gerade als Tugend galt, gab es keine Verstöße gegen seine Befehle.
Ursadan gönnte seinen Leuten keine Pause. Unermüdlich trieb er sie an, bis die Erschöpfung es nicht mehr zuließ, weiterzumarschieren. Während einer kurzen Rast konnten alle etwas trinken und von den knappen Vorräten essen. Ursadan wollte diese lächerliche Mission endlich beenden, und es machte ihm zu schaffen, seit so langer Zeit nichts von der Truppe gehört zu haben.
In diesem Moment auf einen größeren Trupp Hüttenbauer zu stoßen könnte das Ende bedeuten, genauso wie in einer Schlacht mit Reservetruppen aus der falschen Richtung zu kommen.
Brochqnat, einer der Orkspäher, scharwenzelte schon seit einiger Zeit um Ursadan herum. Er suchte nach dem richtigen Augenblick, um den Hauptmann anzusprechen. Ein äußerst mühsames Unterfangen.
»Herr Hauptmann«, sagte er schließlich unentschlossen und wartete auf ein Zeichen, dass Ursadan ihm gnädig erlaubte, das Wort an ihn zu richten.
Ursadan winkte genervt mit zwei Fingern.
»Herr Hauptmann, zwei Meilen vor uns haben unsere Späher einen einzelnen Ork gesichtet. Es könnte ein Bote aus dem Hauptlager sein, der neue Order für uns hat. Sollen wir ein Zeichen geben?« Ursadan traute seinen Ohren kaum. Ihm wurde schlagartig klar, wieso die meisten seiner Rasse nicht für höhere Dienste taugten, falls sie überhaupt lange genug im Kampf überlebten, um ihr Können unter Beweis zu stellen.
»Sollen wir ein Zeichen geben?«, wiederholte er spöttisch. »Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein. Wir befinden uns in Feindesland. Was glaubst du, wer uns eher erreicht, die Ritter Nelbors oder der Bote mit der Nachricht, dass wir vorsichtig sein sollen?« Er wartete keine Antwort ab.
»Schick drei von uns los, die ihn einsammeln. Nimm aber welche, die auch den Rückweg finden. Ich habe keine Lust, nach dem Krieg in ganz Nelbor überall kleine Siedlungen zu finden, weil drei Orks, die sich verlaufen haben, nichts anderes eingefallen ist, als einen neuen Stamm zu gründen.«
Für Ironie schien Brochqnat wenig Sinn zu besitzen, denn er wollte gerade anfangen aufzuzählen, wen er ausgesucht hatte. Ursadan winkte ab, schickte Brochqnat zur Erledigung seiner Befehle aus und ließ die Truppe halten.
Sofort und größtenteils
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