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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Schafe in einem abgesperrten Gatter hetzten. Die Orks griffen sich einzelne Kinder aus der Menge und stopften diese in den geöffneten Kanalschacht.
    Die Anzahl der Feinde wuchs mit jedem Augenblick. Auf dem Marktplatz befanden sich im Angesicht des zurückliegenden Spektakels nur etwa drei Dutzend Erwachsene, davon eine Hand voll Stadtwachen, doch dieser Übermacht an Feinden hatten sie einfach nichts entgegenzusetzen. Zwei Orks sprangen aus dem Schatten in Cindiels Richtung. Hagrim drängte sich vor sie und schob das Mädchen mit der linken Hand hinter seinen Rücken. Er zog einen alten Krummdolch, den er von seinen Wanderschaften mitgebracht hatte, obwohl ihm bewusst war, dass dieses gute Stück eher zum Schälen von Obst oder zum Öffnen von Siegelbriefen zu gebrauchen war.
    Zwei Orks waren mit wenigen Schritten heran. Sie waren beide mit kleinen stachelbesetzten Keulen bewaffnet, die gut geeignet waren, um in der Enge der Straßen und Gassen zu kämpfen. Große Waffen und schwere Rüstungen eigneten sich eher für eine Schlacht auf offenem Feld.
    Das wussten selbst Orks.
    Dem ersten Schlag wich Hagrim behände seitlich aus, während er unter dem zweiten hinwegtauchen musste. Cindiel stand vor Panik wie gelähmt hinter ihm und hatte Glück, dass der Angriff gegen Hagrims Kopf ausgeführt wurde, sonst hätte die Attacke sie getroffen, anstatt ins Leere zu gehen. Der kniende Geschichtenerzähler vollführte einen weiten sichelförmigen Stoß gegen den Oberschenkel eines Orks und grub die Klinge tief ins Fleisch seines Angreifers. Diesem sackten daraufhin die Beine weg, und nun sahen sie sich Auge in Auge gegenüber. Eine Kopfnuss von Hagrim brachte den Ork vollkommen aus dem Gleichgewicht, und er fiel rückwärts um. Hagrim drehte sich auf Fuß und Knie gestützt nach links, um den von oben geführten Schlag des zweiten Angreifers zu blocken: eines Orks, dem ein langer, kaum verheilter Schnitt im Gesicht ein noch unheimlicheres Aussehen gab, als es seine Rasse ohnehin schon besaß. Der Angriff traf ihn knapp unterhalb des Handgelenks und brach Elle und Speiche. Mit einem Schmerzensschrei ließ Hagrim die Waffe fallen und umklammerte den Arm. Der Ork wollte gerade zu einem letzten Schlag ausholen, um den nun unbewaffneten Mann niederzustrecken, als er sich plötzlich schmerzerfüllt an die linke Gesichtshälfte griff und den Handballen gegen die notdürftig vernähte Wunde am Auge presste.
    Hagrim drehte sich verblüfft und mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck zu Cindiel um. Sie stand nur da und starrte wie in Trance auf den sich vor Schmerz windenden Ork. Tränen liefen ihr über das Gesicht, aber ihre Miene zeigte keine Trauer und keine Angst. Hagrim wusste, dass sie des Zauberns mächtig war, aber nicht, wie weit ihre Fähigkeiten reichten. Er hatte gelesen, dass Hexenkünste nur Veränderungen erwirken konnten, aber nichts Neues hervorbringen. Das passte!
    So wie es aussah, verstärkte Cindiel den bereits vorhandenen Schmerz des Orks.
    Es gab keine Zeit zu verlieren. Irgendwann würde der Zauber nachlassen, und sie wären der Rache des Ungeheuers schutzlos ausgeliefert. Hagrim packte Cindiel mit der unverletzten Hand und zog sie ins Dunkel der Gasse. Nur fünfzig Schritt, dann wären sie im Straßengewirr untergetaucht und könnten in den Hausnischen Schutz suchen.
    Das Glück war ihnen nicht hold. Nach der Hälfte der Strecke löste sich eine riesenhafte Gestalt aus dem Schatten. Zwar war sie unbewaffnet, aber ihre Größe und ihr Gewicht ließen darauf schließen, dass sie einen Menschen mit nur einem Faustschlag töten konnte.
    »Ausgeburten Tabals«, entfuhr es Hagrim. Es kam ihm einen Augenblick lang unwirklich vor, dass es einem Trupp Orks und einigen Ogern gelungen sein sollte, unbemerkt in die Stadt zu gelangen. Wäre ihre Situation nicht so verzweifelt gewesen, hätte er sicher bei der Vorstellung gelacht, dass vor dem Stadttor zweihundert Orks und eine Hand voll Oger standen und zu den Wachen sagten: »Heute Puppentheater, wir auch da!«
    Doch der Anblick eines Ogers, der zur Hälfte aus der Straße aufragte, beantwortete die Frage, wie die Angreifer in die Stadt gelangen konnten. Die Einfassung des Kanaldeckels umrahmte den Bauch des Ungetüms. Bei dem Versuch, aus dem unterirdischen Labyrinth zu steigen, hatte dieser Prachtbursche wohl die halbe Straße aufgerissen und konnte sich seines unfreiwilligen Korsetts nun nicht mehr entledigen - ein im Angesicht des Todes dennoch armseliger

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