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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ähnlich, aber er dachte mehr daran, seinen Tee mit einem Schluck Rum würzen zu können. Die Leute waren bei so einem Wetter eher bereit, einem armen Geschichtenerzähler ein Glas zu spendieren. Vielleicht verpflichtete die kalte Jahreszeit die Menschen zu einer gewissen Fürsorge untereinander. Davon unabhängig schmeckte Hagrim jede Flüssigkeit mit etwas Alkohol wesentlich besser. Sie wärmte den Körper und die Seele im Winter und machte die Hitze, den Staub und die Trockenheit im Sommer besser erträglich.
    Als sie auf dem Marktplatz ankamen sahen sie, dass bereits eine riesige Traube von Kindern die kleine Bühne der Schausteller umringte. Es wurde gedrängelt und geschubst, jeder versuchte einen besseren Platz zu ergattern, um den besten Blick zu haben.
    Hagrim und Cindiel blieben weiter hinten stehen. Auf der vier Schritt langen und drei Schritt hohen Puppenbühne war noch nichts zu sehen. Ein roter Vorhang verwehrte den Blick auf die Kulissen. Cindiel zeigte Hagrim einen Mann, der seitlich in den Aufbauten der Bühne verschwand. Er war dunkel gekleidet, seine Sachen lagen eng am Körper an. Sein Gesicht war mit Ruß geschwärzt, und er trug dunkle Handschuhe.
    Die Anspannung bei den Kindern stieg weiter. Es wurde gegrölt, gesungen und gelacht. Hinter dem Vorhang wurden zwei Laternen entzündet, die durch den schweren Stoff den Eindruck von zwei am Himmel stehenden Sonnen erweckten. Schlagartig kehrte Ruhe unter den Zuschauern ein, und sie starrten gebannt zur Bühne. Leise Flötenmusik erklang hinter dem Vorhang, der sich langsam öffnete. Die detailreiche Kulisse einer Landschaft teilte die Szene mit einer heroisch aussehenden Ritterpuppe.
    »Nun, ihr kleinen Bürger von Osberg, ist es so weit«, sprach die Puppe. »Ein Freund von Kindern und Bewunderer meiner Kunst hat diesen Abend möglich gemacht. Alle, die sonst nicht die Möglichkeit haben, einem solchen Schauspiel beizuwohnen, sind herzlich eingeladen, den Abenteuern des Ritters Golderich im Kampf gegen den Drachen beizuwohnen.« Als der Name des Ritters fiel, verbeugte sich die kleine Figur in Richtung des Publikums und wurde mit tosendem Beifall begrüßt. Während des Schauspiels, das ungefähr eine Stunde in Anspruch nahm, glaubte Cindiel zweimal kurz am anderen Ende des Marktplatzes die schwer gerüstete Silhouette eines Mannes zu erkennen, die in den angrenzenden Gassen verschwand. Doch das Theaterspiel zog sie so sehr in seinen Bann, dass sie keine Zeit fand, Hagrim darauf aufmerksam zu machen. In ihren Augen hätte das Stück nicht besser sein können. Nachdem der Held den Drachen getötet hatte, wurde an beiden Seiten der Bühne ein Feuerwerk entfacht. Hoch aufsteigende Raketen erleuchteten den Himmel. Jede von ihnen wurde von einem begeisterten »Ooh« oder »Aah« der Zuschauer begleitet. An den Seitenverkleidungen der Schaustellerbude drehten sich große Funkenschlangen, die die begeisterten Gesichter der Zuschauer in gleißendes Licht tauchten. Knallkörper und Heuler sorgten zusätzlich für eine entsprechende Geräuschkulisse.
    Es war ein Fest für die Sinne, und niemand wagte es auch nur beiläufig seinen Blick abzuwenden, aus Angst, etwas zu verpassen.
    Die anfänglichen Schreie einzelner Kinder wurden zuerst als Begeisterungsrufe wahrgenommen. Bald jedoch wurde aus dem Jubel allgemeine Panik. Ein einzelnes Wort durchschnitt das Stimmengewirr immer wieder. »ORKS!«
    Die Menschenmenge bewegte sich wie eine wogende Welle, und immer wieder versuchten kleine Gruppen aus dem Gewirr auszubrechen und in die nahe gelegenen Seitengassen zu flüchten. Kurz vor dem Eintauchen in die Dunkelheit der Gassen zerbarsten die Grüppchen und suchten nun wieder Schutz in der Masse. Cindiel, die in der Nähe eines Seitenausgangs im Süden stand, hörte hinter sich das schleifende Geräusch eines sich öffnenden Kanalisationsdeckels. Aus der Tiefe tauchte ein Ork aus dem Untergrund auf, der gleich darauf im Schatten der Häuser verschwand. Cindiel hatte noch nie zuvor in ihrem Leben einen Ork gesehen, doch aus den Erzählungen von Hagrim und den Berichten ihrer Großmutter wusste sie, was dort vor ihr aus der Kanalisation gestiegen war. Die Orks schienen leicht gerüstet zu sein. Sie bewegten sich sehr schnell und äußerst gewandt, und nicht plump und langsam wie in den Schilderungen aus den Trollkriegen.
    Die Bewegung der Massen geriet nun vollkommen außer Kontrolle, die Menschen wurden wild durcheinandergescheucht, als ob mehrere Hunde eine Herde

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