Die Oger - [Roman]
anderen zog er einfach am Fußgelenk hinter sich her. Ihm war klar, dass der Rückweg dadurch deutlich länger dauern würde, besonders in diesem Dickicht. Aber er hoffte darauf, dass die beiden Toten dem alten Mann im Turm so viel Angst einjagten, dass er flüchten würde, und Mogda sich in Ruhe seine Schafe schnappen konnte.
Er musste die Schafe unbedingt haben, denn der kommende Winter würde sicher noch härter werden, als der im letzten Jahr. Langes Jagen gefiel ihm nicht, denn es war schwierig, sich an ein Reh auf Keulenreichweite heranzupirschen, wenn man fast fünfhundert Pfund wog, im Schleichen eine Niete war und roch wie eine Herde Orks nach einer wilden Hetzjagd. Da war das Mitnehmen von Vieh aus irgendwelchen Pferchen oder Scheunen doch viel bequemer ... wenn man nicht auf solche störrischen Einsiedler wie den Alten im Turm traf, die den Tod eines Schafes gleich mit dem Tod eines Ogers vergelten wollten. Mogda blieb jedoch keine Wahl, er musste zu dem Turm zurückkehren, um sich Nahrung zu beschaffen. Ein harter Winter, nichts zu essen und keine passende Höhle konnten auch für einen Oger das Ende bedeuten.
Tatsächlich war der Rückweg mit den beiden Toten mühselig. Ihre Ausrüstung scheuerte an seinem nackten Oberkörper. Er wunderte sich, wie er es schon oft getan hatte, über die Gewohnheiten der Menschen. Sie zogen sich unbequeme Metallrüstungen an, die sie im Kampf mehr einschränkten als schützten. Und was diesen Schild anging ... Er mochte vielleicht die Sonne abhalten oder einem Koboldpfeil trotzen, aber einer Ogerkeule würde er sicher nicht widerstehen. Im Gegenteil, Mogda hatte immer das Gefühl, wenn er den Schild in der Mitte traf, wurden die Leute dahinter noch ein Stück weiter wegkatapultiert. Und Menschen so wie dieser hier, der seinen Schild auch noch polierte, waren für ihn so etwas wie laufende Zielscheiben. Durch den Schild hatte er seine beiden Verfolger im Wald schon frühzeitig bemerkt. Und wenn der Schild sie nicht verraten hätte, dann sicher ihr dauerndes Gerede. Er hatte zwar in seinem Leben noch nicht so viele Menschen bekämpft und hielt sich, wenn möglich, auch von ihren Siedlungen fern, aber alle Menschen, die er gesehen und beobachtet hatte, redeten die ganze Zeit. Von einem, den er letztes Jahr erschlagen hatte, war er sogar während des ganzen Kampfes beschimpft worden, was zugegebenermaßen nicht sehr lang gewesen war. Aber zumindest kannte Mogda jetzt den Ausdruck »warzengesichtiges Monster«. Und schließlich hatte er trotzdem das Pferd bekommen, das der Mensch nicht hatte hergeben wollen.
Für ihn war ein Pferd ein Vorrat von zwei Wochen, obwohl er Schafe lieber mochte.
Der Oger war noch zehn Schritt vom Rand der Lichtung entfernt. Die Sonne hatte eine blutrote Farbe angenommen und verschwand gerade hinter den Baumwipfeln. Der Turm, den Mogda beobachtete, warf einen langen Schatten in seine Richtung, den er nutzen würde, um sich dem Gebäude zu nähern. Er wartete noch ein paar Minuten, dann wurde im Inneren des Turms ein Licht entzündet.
Das war genau der richtige Moment. Mogda stand auf. Er hatte noch immer den einen Menschen geschultert, und den anderen zog er hinter sich her. Mogda wollte dem Alten die Toten in seine Behausung werfen und sich dann mit zwei Schafen auf den Weg in die Berge machen. Den Alten zu töten, empfand er als unnütz.
Das Gras der Lichtung war von den Schafen gleichmäßig kurz gefressen. Die Tiere grasten im Moment auf der anderen Seite des Turms. Mogda wollte ihnen lieber aus dem Weg gehen, weil er wusste, wie Tiere auf ihn reagierten. Sie würden ihn durch ihr ängstliches Blöken bestimmt verraten, und den Alten vielleicht dazu veranlassen, etwas Unbedachtes zu tun.
Mogda schritt den kleinen Pfad entlang, direkt auf die Tür des zwölf Schritt hohen Steinturms zu. Kurz bevor er den Eingang erreichte, hörte er die Stimme des Alten: »Na, habt ihr ihm eine Lektion erteilt? Ich hatte schon befürchtet, dass er euch abgehängt hat und vor euch zurückkommt, um sich doch noch ein paar Schafe zu holen. Was ist? Kommt rein und macht euch sauber.«
Der Alte hatte wohl das Scheppern der Rüstungen gehört und vermutete nun, dass seine Kameraden heimkehrten. Auf gewisse Weise stimmte das ja auch, nur brachten sie noch einen Überraschungsgast mit.
Mogda wollte die Tür nicht unbedingt auftreten, da sein Gleichgewicht von dem Körper über seiner Schulter beeinträchtigt wurde. Also bückte er sich leicht nach vorn und
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