Die Operation
kein Zufall. Das Problem ist, dass wir demnächst eine Entscheidung treffen müssen. Ich meine, nichts zu tun ist auch eine Entscheidung, weil wir dann in ein paar Minuten ganz vorne stehen, und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf.«
»Aber was können wir denn überhaupt machen? Wir stecken hier inmitten einer Menge von Menschen fest und haben einen ganzen Lastwagen mit Gepäck dabei. Im schlimmsten Fall übergeben wir ihnen die Probe, falls sie das verlangen.«
»Aber wenn sie nur die Probe konfiszieren wollten, dann würden hier nicht so viele uniformierte Polizisten herumstehen.«
»Entschuldigen Sie«, sagte eine atemlose, panische Stimme hinter ihnen in unverkennbar amerikanischem Englisch.
Stephanie und Daniel waren so nervös, dass sie gleichzeitig die Köpfe herumrissen und sich einem offensichtlich aufgewühlten Priester mit wildem, starrem Blick gegenübersahen. Der Brustkorb des Mannes hob und senkte sich, vermutlich, weil er gerannt war, und Schweißtropfen klebten auf seiner Stirn. Sein verzweifeltes Aussehen wurde durch die unrasierten Wangen und den unfrisierten roten Wuschelkopf noch verstärkt, die einen scharfen Kontrast zu seinem anständig gebügelten Priestergewand bildeten. Offensichtlich hatte er sich durch verschiedene Check-in-Warteschlangen gekämpft, um zu Stephanie und Daniel zu gelangen. Das ließ sich zumindest aus den verärgerten Gesichtern der umstehenden Reisenden schließen.
»Dr. Lowell und Dr. D’Agostino!«, keuchte Father Michael Maloney. »Ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen.«
»Scusi!«, sagte der Mann hinter Daniel ärgerlich. Er bedeutete Daniel, er möge doch weitergehen. Die Schlange war vorgerückt und Daniel musste nachrücken, noch während er Michael musterte.
Daniel bot dem Mann an, ihn zu überholen, was dieser gerne tat.
Michael warf einen schnellen Blick über den Gepäckwagen hinweg. Als er den Monsignore und die Polizei entdeckte, duckte er sich und drängte sich dicht an Daniel. »Wir haben nur noch wenige Sekunden«, stieß er angestrengt flüsternd hervor. »Sie dürfen nicht für Ihren Flug nach Paris einchecken!«
»Woher wissen Sie, wie wir heißen?«, wollte Daniel wissen.
»Ich habe keine Zeit, Ihnen das jetzt zu erklären.«
»Wer sind Sie?«, fragte Stephanie. Irgendwie kam ihr der Mann bekannt vor, sie wusste nur nicht, wieso.
»Es spielt keine Rolle, wer ich bin. Entscheidend ist, dass Sie gleich verhaftet werden und die Textilprobe des Grabtuchs beschlagnahmt werden soll.«
»Jetzt weiß ich wieder«, sagte Stephanie. »Sie waren gestern im Cafe, bei der Übergabe der Probe.«
»Bitte!«, flehte Michael. »Sie müssen hier weg. Ich habe ein Auto. Ich bringe Sie über die Grenze.«
»Mit dem Auto?«, sagte Daniel, als wäre allein der Gedanke schon lächerlich.
»Es gibt keine andere Möglichkeit. Flughäfen, Bahnhöfe, alle öffentlichen Verkehrsmittel werden überwacht, aber Flughäfen besonders und ganz besonders dieser Flug nach Paris. Ich meine es ernst: Sie stehen dicht davor, verhaftet und ins Gefängnis gesteckt zu werden. Glauben Sie mir!«
Daniel und Stephanie wechselten einen Blick. Beide dachten ein und dasselbe: Das plötzliche Auftauchen dieses verzweifelten Priesters und seine Warnung waren ein unglaublicher Glücksfall. Dadurch erhielten ihre eigenen, erst vor wenigen Sekunden geäußerten Befürchtungen ein enormes Gewicht. Sie würden nicht nach Paris fliegen.
Daniel fing an, den Gepäckwagen herumzudrehen. Michael griff nach seinem Arm. »Wir haben keine Zeit für das ganze Gepäck.«
»Was soll das denn heißen?«, fragte Daniel.
Michael verrenkte den Hals, um einen kurzen Blick auf den Schalter zu werfen, der jetzt nur noch rund sieben Meter entfernt war. Sofort zog er den Kopf wie eine Schildkröte zwischen die Schultern. »Verdammt! Jetzt haben sie mich gesehen. Das heißt, wir stehen kurz vor der Katastrophe. Wir müssen sofort verschwinden, es sei denn, Sie wollen die nächste Zeit im Gefängnis zubringen. Sie müssen den Großteil des Gepäcks hier lassen! Entscheiden Sie sich, was Ihnen wichtiger ist: Ihre Freiheit oder Ihr Gepäck!«
»Da sind alle meine Sommersachen drin«, sagte Stephanie entgeistert.
»Signore!«, sagte der Mann hinter Daniel sichtlich verärgert und gab gleichzeitig Zeichen, Daniel möge sich doch vorwärts bewegen. »Va! Va via!« Dem schlossen sich noch etliche andere Leute an. Die Schlange war schon wieder vorgerückt, und da Daniel und Stephanie die gesamte Breite
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