Die Operation
passe auf ihn auf, wie gewöhnlich. Soll ich ihn nachts irgendwann wecken oder etwas in der Richtung?«
»Nein, ich glaube nicht, dass das nötig sein wird, so, wie es ihm jetzt geht. Aber falls es irgendwelche Schwierigkeiten geben sollte oder Sie eine Frage haben, dann rufen Sie mich bitte an, egal, wie spät es ist.«
Carol machte Daniel die Tür auf und hinter ihm wieder zu, ohne noch ein Wort zu sagen. Einen Augenblick lang hielt Daniel den Blick starr auf die geschnitzten Meerjungfrauen gerichtet. Er war Naturwissenschaftler durch und durch und wusste, dass Psychologie alles andere als seine Stärke war. Menschen wie Carol Manning waren der Beweis dafür. Sie brachte ihn irgendwie durcheinander. Im einen Augenblick schien sie die perfekte, treu ergebene Assistentin zu sein, während sie schon kurze Zeit später den Eindruck machte, als hinge ihr ihre untergeordnete Rolle zum Hals heraus. Daniel seufzte. Zumindest das war nicht sein Problem, vorausgesetzt, sie kümmerte sich in der Nacht um den Senator.
Auf dem kurzen Weg zu der Suite, die er gemeinsam mit Stephanie bewohnte, wandten sich Daniels Gedanken wieder der schlagartigen Besserung von Ashleys ParkinsonErkrankung zu. Er war in vielerlei Hinsicht ratlos, aber gleichzeitig hocherfreut, und er konnte es kaum abwarten, die Neuigkeiten mit Stephanie zu teilen. Er machte die Tür auf und wunderte sich, dass sie nicht da war, auch nicht im Schlafzimmer. Dann hörte er die Dusche.
Als Daniel das Badezimmer betrat, wurde er in dichten Nebel gehüllt, als ob Stephanie schon eine halbe Stunde lang unter der Dusche stand. Er klappte den Toilettendeckel herunter und setzte sich darauf. Jetzt konnte er Stephanies Umrisse hinter der beschlagenen Milchglasscheibe der Duschkabine erkennen. Es sah so aus, als stünde sie völlig regungslos unter dem voll aufgedrehten Duschstrahl.
»Geht es dir gut?«, rief Daniel.
»Besser«, rief Stephanie zurück.
»Besser?«, fragte sich Daniel im Stillen. Er hatte keine Ahnung, was sie damit meinte, obwohl, jetzt fiel ihm wieder ein, dass sie den ganzen Nachmittag über eher schweigsam gewesen war. Auch ihre scheinbar unsensible Reaktion auf Carols Angebot, mit ihr mitzufahren, kam ihm wieder in den Sinn. Andererseits, das musste er zugeben, hätte er in der umgekehrten Situation ähnlich reagiert. Der Unterschied lag darin, dass Stephanie im Gegensatz zu ihm in der Regel auf die Bedürfnisse anderer Leute Rücksicht nahm. Daniel hielt sich selbst nicht gerade für rücksichtslos oder unfreundlich, aber es war ihm eben egal. Die Leute mussten begreifen, dass er sich mit so vielen wichtigeren Dingen beschäftigen musste, dass er nicht auch noch auf gesellschaftliche Konventionen achten konnte.
Daniel überlegte, ob er sich an der Minibar etwas zu trinken holen sollte oder nicht. In vielerlei Hinsicht war das einer der stressigsten Tage seines Lebens gewesen. Schließlich beschloss er, sitzen zu bleiben. Er wollte Stephanie unbedingt von Ashley berichten, der Drink konnte noch warten. Aber Stephanie rührte sich nicht.
»He, du da drin!«, brüllte Daniel schließlich. »Kommst du jetzt raus oder was?«
Stephanie machte die Tür einen Spaltbreit auf. Dampf quoll heraus. »Tut mir Leid. Willst du auch noch duschen?«
Daniel wischte sich die Wassertropfen vom Gesicht. Das Badezimmer hatte sich in ein Dampfbad verwandelt. »Nein, ich warte auf dich. Ich möchte mit dir reden.«
»Na ja, vielleicht solltest du lieber nicht warten. Ich weiß nicht so recht, ob ich in der Stimmung bin zu reden.«
Daniel spürte, wie die Wut in ihm kochte. Stephanies Reaktion passte ihm ganz und gar nicht. Nach all dem, was am heutigen Tag geschehen war, brauchte er ein bisschen Beistand, den er sich auch redlich verdient hatte. Das war doch wirklich nicht zu viel verlangt. Abrupt stand er auf, verließ das Badezimmer und knallte die Tür ins Schloss. Finster vor sich hin brütend, holte er sich ein kaltes Bier. Noch mehr Ärger konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Er ließ sich auf das Sofa fallen und nippte an seinem Bier. Als Stephanie dann in ein Handtuch gehüllt aus dem Badezimmer trat, hatte er sich wieder beruhigt.
»Mir ist schon klar, dass du wütend bist, so, wie du die Tür zugeknallt hast«, sagte Stephanie in ruhigem Ton. Sie stand in der Schlafzimmertür. »Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich emotional und körperlich absolut ausgelaugt bin. Ich muss unbedingt schlafen. Wir sind heute Morgen um fünf aufgestanden, um
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