Die Operation
ist noch eine sehr freundliche Umschreibung. Als ich mir überlegt habe, eine Firma zu gründen, da hatte ich keine Ahnung, dass ich hundertzehn Prozent meiner Kraft für die Geldbeschaffung benötigen würde. Und dazu jetzt noch diese Bedrohung durch die Politik, die das gesamte Unternehmen gefährdet.«
»Das verstehe ich«, sagte Stephanie. »Ganz ehrlich, und ich habe es nie persönlich genommen.«
»Ist es wirklich schon Monate her?«
»Worauf du dich verlassen kannst«, sagte Stephanie und nickte unterstreichend.
»Ich möchte mich dafür entschuldigen«, sagte Daniel. »Und zum Zeichen meines ehrlichen Bedauerns möchte ich eine Änderung in der Abendplanung beantragen. Ich schlage vor, wir ziehen die körperliche Liebe vor und stellen die Pläne für das Abendessen zurück. Gibt es Gegenstimmen?«
Daniel beugte sich hinunter, um Stephanie einen spielerischen Kuss zu geben, aber sie legte ihm den Zeigefinger auf die Nase und schob sein immer noch mit Rasierschaum bedecktes Gesicht zurück. Dabei zog sie ein Gesicht, als müsste sie etwas außergewöhnlich Ekliges anfassen, besonders, als sie ein bisschen Rasierschaum, das an ihrem Finger klebte, an seiner Schulter abwischte. »Die Dame lässt sich auch durch parlamentarische Tricks nicht von einem guten Abendessen abbringen«, stellte sie fest. »Es hat einige Mühe gekostet, diesen Tisch zu reservieren, also bleibt es bei der ursprünglich beschlossenen und verkündeten Abendgestaltung. Weiterrasieren!« Sie schob ihn gut gelaunt in Richtung Waschbecken und stellte sich dann neben ihn, um sich die Haare zu föhnen.
»Mal ganz im Ernst«, brüllte Daniel, nachdem er mit Rasieren fertig war, um den Fön zu übertönen. »Du siehst wirklich fantastisch aus. Manchmal frage ich mich, was du an einem alten Mann wie mir bloß findest.« Er schüttete sich Aftershave auf die Handflächen und klopfte sich damit auf die Backen.
»Zweiundfünfzig ist doch nicht alt«, brüllte Stephanie zurück. »Und schon gar nicht, wenn man so aktiv ist wie du. Du siehst, ehrlich gesagt, auch ziemlich sexy aus.«
Daniel betrachtete sich im Spiegel. Er fand sich eigentlich ganz gut aussehend, aber er machte sich nichts vor: sexy war etwas anderes. Schon vor langer Zeit hatte er sich damit abgefunden, dass er eher der Bücherwurm war, eine Art naturwissenschaftliches Wunderkind schon während der Schulzeit. Stephanie wollte ihm nur schmeicheln. Er hatte schon immer ein schmales Gesicht gehabt, sodass er sich zumindest keine Gedanken über Hängebacken oder Falten machen musste, abgesehen von ein paar kleinen Krähenfüßen, wenn er lächelte. Er trieb regelmäßig Sport, wenn das auch in den letzten Monaten aufgrund der hohen zeitlichen Beanspruchung bei der Suche nach Investoren zu kurz gekommen war. Als Lehrkraft in Harvard hatte er regen Gebrauch von den Sportanlagen gemacht, hatte Squash und Handball gespielt und war auf dem Charles River gerudert. Das Einzige, was es aus seiner Sicht an seinem Aussehen auszusetzen gab, waren die größer werdenden Geheimratsecken und der dünner werdende Haarwuchs auf dem Kopf sowie die silbernen Strähnen, die sich an den Schläfen in sein ansonsten braunes Haar einschlichen. Aber daran ließ sich sowieso nicht viel ändern.
Als sie sich schließlich zurechtgemacht hatten, angezogen und in die Mäntel geschlüpft waren, verließen sie das Hotel. Der Portier hatte ihnen eine einfache Wegbeschreibung zum Restaurant mitgegeben. Arm in Arm spazierten sie auf der M-Street etliche Straßenblocks nach Westen und kamen dabei an den unterschiedlichsten Kunstgalerien, Buchhandlungen und Antiquitätenläden vorbei. Es war frisch, aber nicht zu kalt, und trotz der Großstadtlichter waren viele Sterne am Himmel zu sehen.
Der Empfangschef des Restaurants brachte sie an einen seitlich stehenden Tisch, der, trotz des lebhaften Betriebs, ein wenig Zweisamkeit gewährleistete. In Erwartung eines romantischen Dinners bestellten sie eine Flasche Wein und etwas zu essen. Während der Vorspeise schwelgten sie in amüsanten Erinnerungen an die Zeit, als sie sich füreinander interessiert hatten, ohne sich jemals zu verabreden, und verfielen anschließend in ein zufriedenes Schweigen. Leider wurde es von Daniel unterbrochen.
»Wahrscheinlich wäre es besser, ich würde gar nicht erst damit anfangen.«, fing Daniel an.
»Dann lass es«, unterbrach ihn Stephanie, die sofort ahnte, worauf Daniel hinauswollte.
»Aber vielleicht doch«, sagte Daniel.
Weitere Kostenlose Bücher