Die Operation
»Eigentlich muss ich es sogar loswerden, und das lieber jetzt als nachher. Vor ein paar Tagen hast du gesagt, dass du unseren Quälgeist, Senator Ashley Butler, unter die Lupe nehmen willst, um mir vielleicht noch Material für die Anhörung morgen zu besorgen. Ich weiß auch, dass du dich darum gekümmert hast, aber du hast dich noch nicht dazu geäußert. Wie kommt das?«
»Soweit ich mich erinnern kann, warst du damit einverstanden, dass wir diese Anhörung für den heutigen Abend vergessen.«
»Ich war damit einverstanden, dass ich versuche, die Anhörung zu vergessen«, korrigierte Daniel. »Und ich habe es nicht ganz geschafft. Hast du nichts gesagt, weil du nichts gefunden hast, was uns weiterhelfen könnte, oder warum sonst? Sag’s mir, dann lassen wir das Thema für den Rest des Abends wirklich ruhen.«
Stephanie blickte ein paar Herzschläge lang zur Seite, um ihre Gedanken zu sortieren. »Was willst du wissen?«
Daniel ließ ein kurzes, atemloses Lachen hören. »Du machst es komplizierter als nötig. Wenn ich ehrlich sein soll, ich weiß nicht genau, was ich wissen will, ich weiß nicht einmal, welche Fragen ich stellen soll.«
»Es wird nicht einfach mit ihm werden.«
»Den Eindruck hatten wir ja bereits.«
»Er sitzt seit 1972 im Senat, sodass er allein durch seine lange Zugehörigkeit großen Einfluss hat.«
»Davon war ich ausgegangen. Immerhin ist er der Vorsitzende des Unterausschusses«, sagte Daniel. »Ich möchte gerne wissen, was in ihm vorgeht.«
»Er macht den Eindruck eines typischen, altmodischen Südstaatendemagogen.«
»Ein Demagoge, hmm?«, erwiderte Daniel fragend. Für einen kurzen Augenblick kaute er auf der Innenseite seiner Wangen herum. »Da muss ich leider meine Beschränktheit zugeben. Ich habe den Begriff Demagoge schon öfter gehört, aber, um ehrlich zu sein, ich weiß gar nicht genau, was er bedeutet, zumindest nicht, wenn er nicht einfach abwertend gemeint ist.«
»Er bezeichnet einen Politiker, der sich allgemein vorhandener Vorurteile und Ängste bedient, um Macht zu erlangen und zu erhalten.«
»In unserem speziellen Fall also die Ängste der Bevölkerung vor der Biotechnologie generell.«
»Ganz genau«, stimmte Stephanie zu. »Besonders, wenn in diesem Zusammenhang Begriffe wie Embryo oder Klonen verwendet werden.«
»Weil das auf Embryo-Farmen und irgendwelche Frankensteinszenarien hindeutet.«
»Exakt«, sagte Stephanie. »Er macht sich die Unwissenheit der Menschen und ihre schlimmsten Ängste zunutze. Und im Senat hat er die Rolle des Blockierers. Es ist immer einfacher, gegen etwas zu sein als für etwas. Er hat während seiner gesamten Laufbahn nichts anderes gemacht, hat sogar seine eigene Partei in vielen Fällen auflaufen lassen.«
»Das klingt nicht besonders gut für uns«, stöhnte Daniel. »Das heißt, wir brauchen gar nicht erst zu versuchen, ihn mit rationalen Argumenten zu überzeugen.«
»So sehe ich es auch, leider. Deshalb habe ich auch nicht darüber gesprochen. Es ist schon schlimm genug, dass jemand wie Butler überhaupt im Senat sitzt, ganz abgesehen von seinem Einfluss und seiner Macht. Senatoren sollten eigentlich echte Leitfiguren sein und keine Machtpolitiker.«
»Es ist wirklich deprimierend, dass so ein Trottel die Macht hat, unkonventionelle und viel versprechende wissenschaftliche Ideen wie meine einfach zu blockieren.«
»Ich glaube nicht, dass er ein Trottel ist«, korrigierte Stephanie. »Ganz im Gegenteil. Er hat auf seine Weise auch sehr viel, fast schon machiavellistische Kreativität entwickelt.«
»Womit beschäftigt er sich sonst noch?«
»Mit den üblichen fundamentalistisch-konservativen Themen. Die Debatte um die Rechte des Staates natürlich, die ist ihm besonders wichtig. Aber er ist auch gegen alles, was mit Pornografie, Homosexualität, gleichgeschlechtlicher Eheschließung und so weiter zusammenhängt. Und, ach ja, er ist auch gegen Abtreibung.«
»Abtreibung?«, fragte Daniel überrascht. »Er ist in der Demokratischen Partei und nicht für die freie Entscheidungsmöglichkeit der Frau? So langsam kommt es mir vor, als wäre er ein rechtslastiger, republikanischer Betonkopf.«
»Wie gesagt, er hat keine Angst, seiner eigenen Partei in den Rücken zu fallen, wenn es ihm gerade in den Kram passt. Er ist auf jeden Fall gegen Abtreibung, auch wenn er in diesem Punkt gelegentlich einmal zurückrudern und seine Position etwas modifizieren musste. So hat er sich auch bei vielen Bürgerrechtsthemen
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