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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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dem Sturz ins absolute Nichts. Ich konnte mit einem Mal verstehen, warum Menschen den Verstand verloren.
    »Ich hatte Brown Jenkin sechs Kinder zugestanden«, sagte er. »Ich dachte mir, dass sie ohnehin verhungert, an einer Krankheit oder durch brutalen sexuellen Missbrauch gestorben wären, wenn sie im Londoner East End geblieben wären. Aber dann bedrängte mich Kezia weiter, und ich ließ es zu, dass er weitere sechs Kinder nehmen konnte. Mir wurde dabei die Fadenscheinigkeit meiner anfänglichen Rechtfertigung bewusst. Und jetzt will sie, dass er noch einmal sechs
    Kinder bekommt. Ich weiß, wo das enden wird, wenn ich nicht drastische Maßnahmen ergreife.«
    »Was werden Sie machen?«
    »Ich reise in die Zukunft«, sagte Billings. »Ich reise bis zum äußersten Zeitpunkt und halte diese Monstrosität unmittelbar vor der Erneuerung auf, bevor die Welt für immer verdammt ist.«
    Ich sah auf meine Uhr und bemerkte, dass ich seit mindestens einer halben Stunde hier gewesen sein musste. Die Kinder würden sich Sorgen über meinen Verbleib machen. »Ich kehre jetzt besser zurück«, sagte ich. »Ich weiß nicht, ob ich das wirklich alles verstehe. Ich weiß noch immer nicht, warum Brown Jenkin nicht aus der Zukunft zurückkommen und Kezia vor dem warnen wird, was Sie vorhaben.«
    »Weil dies hier, November 1886, meine echte Zeit ist. Sie können durch den Durchgang gehen, und wenn Sie morgen zurückkehren, sind hier genauso viele Stunden verstrichen wie in Ihrer Zeit.«
    »Ich glaube, ich bin verwirrter als zuvor.«
    »Glauben Sie mir«, sagte Billings. »Wir können die Kinder retten, wenn wir es nur versuchen. Ich bin sicher. Und wenn wir das nicht können, dann verdiene ich alles, was Gott für mich als Strafe vorgesehen hat.«
    »Würden Sie das gerne wissen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es mir nur zu gut vorstellen. Vermutlich Wahnsinn und dann Tod. Ich spüre, wie die beiden schon jetzt an mir nagen. Aber ich möchte es nicht von jemandem hören, der es mit Sicherheit weiß.«
    Ich öffnete das Gartentor und schritt durch die Dunkelheit unter den Bäumen. Fortyfoot House hob sich pechschwarz vom Nachthimmel ab und wirkte sonderbar unenglisch, eher wie eine türkische Festung oder eine Klippe auf einer fernen Welt. Ich ging den Weg hinauf, überquerte die kleine Brücke, lief dann über den Rasen, der zur Rückseite des Hauses führte. Der Fischteich wirkte wie ein silbernes Fenster in der Finsternis, durch das ich direkt in einen schrecklichen uner-reichbaren Abgrund starrte. Wenn man durch dieses Fenster fiel, würde man geradewegs nach unten in den Himmel stürzen.
    Ich eilte an der Sonnenuhr vorbei, als ich ein scharfes, krachendes Geräusch hörte. Ich sah hinüber zur Sonnenuhr und bemerkte, dass ein feiner gleißend blauer Funkenregen aus dem Zeiger kroch und die römischen Ziffern umspielte. Rasch warf ich einen Blick auf die Schatten im Garten, die alle etwas Bedrohliches ausstrahlten. Wenn Funken flogen, dann war Kezia Mason nicht weit entfernt. Und mit ihr war auch Brown Jenkin nicht mehr weit. Ich lief schneller, aber einen Moment später schoss ein Blitz aus dem Zeiger der Sonnenuhr und traf mich an der Schulter. Die Nerven und Muskeln in meinem linken Arm reagierten so heftig, dass meine Faust ungewollt nach oben ausschlug. Dann spürte ich etwas Brennendes, und ich bemerkte, dass eine Rauchwolke aus meinem Poloshirt aufstieg.
    Von den Stufen zur Veranda vor mir trat Kezia Mason vor, dicht gefolgt von Brown Jenkin. Kezia war in ein exzentrisches, arabisch anmutendes Kostüm gehüllt, das aus verschmutzten, zerrissenen Bettlaken bestand, die sie zu einem monströsen Burnus um ihren Kopf gewickelt hatte, der nur ihre Augen unbedeckt ließ. Die Laken waren auf ihren Schultern aufgetürmt und mit einer Vielzahl verknoteter Schnüre befestigt. Vom Brustkorb an abwärts bis zu den Knien war sie nackt, wenn man von einem Beutel absah, der um ihre Hüfte gebunden war und mit welkem Eichenlaub und Rosenblättern und Mistelzweigen und sogar mit einem halb mumifizierten Spatz bestückt war. Ihre Schienbeine waren ebenfalls mit zerrissenen Laken umwickelt, ihre Füße waren bloß. Allerdings hatte sie um jeden Zeh ein Stück Schnur gebunden.
    Die Laken sahen aus, als seien sie mit Blut und Urin verschmutzt, und obwohl sie noch fünf oder sechs Meter von mir entfernt stand, konnte ich den Gestank des Todes wahrnehmen. Kezia Mason und Brown Jenkin waren der Tod ... der Tod und sein schlurfender

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