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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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auch?«
    »Na klar. Er trägt einen lustigen Hut.«
    »Sie da!«, rief ich erneut und ruderte mit den Armen.
    Der Mann wandte sich um und blickte zur Kapelle. Sein Gesicht hatte einen düsteren, missbilligenden Ausdruck. Er zögerte einen Moment lang, als überlege er, ob er zur Kapelle und damit zu uns kommen solle, doch dann drehte er sich um und ging zügig zurück zum Haus. Bauz! Da geht die Türe auf, Und herein in schnellem Lauf, Springt der Schneider in die Stub´, Zu dem Daumen-Lutscher-Bub.
    »Hey«, rief ich ihm nach. »Hey, bleiben Sie stehen!«
    Der Mann nahm aber keinerlei Notiz von mir und ging mit weit ausholenden Schritten weiter in Richtung Haus.
    »Komm, Danny!«, sagte ich. »Wir müssen ihn einholen.«
    Wir stiegen von dem Geröllhaufen und zwängten uns durch die Tür. Als wir draußen standen, stellte ich erstaunt fest, dass der Friedhof wieder überwuchert war. Und die Grabsteine standen dort wie zuvor - umgestürzt, vernachlässigt. Aber sie waren da, sie waren real. Wir eilten den Abhang hinab, balancierten wieder über den Bach, dann liefen wir keuchend über den Rasen in Richtung Veranda. Während wir uns dem Haus näherten, sah ich, dass die Küchentür einen Spaltbreit offen stand. Ich wusste ganz sicher, dass ich sie geschlossen hatte, als wir aus dem Haus gegangen waren.
    Ich bedeutete Danny, hinter mir zu bleiben, und näherte mich langsam der Küchentür. Ich versuchte dabei so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Ich gab der Tür einen Stoß und ließ sie auffliegen, bis sie gegen die Wand schlug, erzitterte und dann in ihrer Position verharrte.
    »Wer ist da?«, rief ich. »Ich warne Sie, dies ist Privatbesitz!«
    Keine Antwort. Ich konnte die Muffigkeit der Küche riechen - verstopfte Abflüsse, Schränke, die zu lange geschlossen gewesen waren, und Domestos. Die Sonne, die durch die Fenster fiel, teilte die Küche in kleine Quadrate auf.
    Ich hielt inne und lauschte, dann rief ich: »Ich weiß, dass Sie da sind! Kommen Sie raus!«
    Du willst, dass er rauskommt ? Dieser finster dreinblickende Mann mit seinem hohen Hut?
    »Das ist Privateigentum, ich fordere Sie auf, sofort rauszukommen!«
    »Daddy, ist jemand drinnen?«, fragte Danny.
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Hören kann ich niemanden. Du vielleicht?«
    Danny legte eine Hand an sein Ohr. »Ich höre nur das Meer.«
    Ich ging zwei oder drei Schritte in die Küche hinein. Von allen Räumen in einem Haus ist in der Küche immer am meisten los, wenn dort eine Familie lebt. Und wenn diese Familie nicht mehr da ist, dann ist es der stillste Raum. Eine Reihe von Küchenutensilien hingen an Haken, eine Schöpfkelle, ein Kartoffelstampfer, eine Vorlegegabel. Die Griffe waren abgenutzt, was darauf hindeutete, wie stark sie beansprucht worden waren. Jetzt aber waren sie nur noch kalt, sauber und unberührt. Utensilien, mit denen höchstens noch Erinnerungen verbunden waren, nicht mehr das Vergnügen einer gemeinsamen Mahlzeit.
    »Wenn da jemand ist, dann sollte er besser herauskommen«, warnte ich den unsichtbaren Jemand. »Ich werde die Polizei rufen und Sie wegen Hausfriedensbruch festnehmen lassen.«
    Wieder folgte Stille, eine ganze Weile, dann hörte ich plötzlich ein rasches schlurfendes Geräusch aus dem Flur, schließlich öffnete jemand die Vordertür. Ich musste in jenein Moment verrückt gewesen sein, denn ich rannte ohne zu zögern durch die Küche und riss die Tür zum Flur auf, um gerade noch zu sehen, wie eine dunkle Silhouette durch die Vordertür des Hauses verschwand und die steile Einfahrt hinaufeilte.
    Ich lief hinterher, wusste aber, dass ich nicht den Mann mit dem Backenbart und dem großen Zylinder verfolgte. Als ich die Straße erreicht hatte, die hinauf nach Bonchurch führte, sah ich, dass ich einer zierlichen jungen Frau folgte — mit strähnig blondem Haar, einem schwarzen Sweatshirt und Baumwollshorts, mit einem randvollen Wäschebeutel über der Schulter. »Stopp«, rief ich außer Atem. »Um Himmels willen, bleib stehen. Ich werde nicht die Polizei rufen.«
    Die junge Frau blieb stehen, beugte sich vor, stützte ihre Hände auf die Knie und rang nach Luft. »Tut mir Leid«, japste sie. »Ich wusste nicht, dass in diesem Haus jemand lebt.«
    Seite an Seite standen wir in dem Schatten der Ulmen, beide versuchten wir, zu Atem zu kommen. Danny kam durch die Vordertür gelaufen und blieb stehen, um uns zu beobachten.
    »Tut mir Leid«, wiederholte die junge Frau. Sie strich mit einer Hand ihre

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