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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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Kopf. Sie erinnerte mich an die Oma der Waltons aus der Fernsehserie.
    »Ich würde ja nach Einbruch der Dunkelheit nicht mal den Garten betreten.«
    Liz lachte. »Sie glauben doch nicht an Geister, oder?«
    »Nein«, entgegnete die Frau. »Aber es gibt da Lichter und Geräusche, und so etwas mag ich nicht.«
    »Lichter und Geräusche? Welcher Art?«, wollte ich wissen. Liz lachte noch immer.
    »Ach, Sie wollen mich doch jetzt bloß auf den Arm nehmen, was?«, gab die Frau zurück.
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte ich. »Entschuldigen Sie meine Begleiterin. Sie kommt von der Essex University und ist eine von den skeptischen Intellektuellen.«
    »Und Sie?«, fragte mich die Frau.
    Ich war es nicht gewohnt, so direkt gefragt zu werden. »Ich bin ... ich weiß nicht, ich mache Gelegenheitsarbeiten. Hier ein Verputz, da ein Anstrich. Das ist alles.«
    »Und Sie haben eine Nacht im Fortyfoot House verbrach!?«
    »J-a-a«, antwortete ich gedehnt und neugierig.
    »Und Sie haben keine Geräusche gehört?«
    »Kommt drauf an, was Sie meinen. In jedem alten Haus gibt es Geräusche.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Kein altes I laus ... kein altes Haus auf der ganzen Welt... überhaupt kein alles I laus macht solche Geräusche wie Fortyfoot House.« »Also«, räumte ich ein, »es gab Geräusche. Vor allem auf dem Dachboden. Aber die stammten von Schwalben oder von Eichhörnchen.«
    »Hörten Sie ein Kratzen, wie von einer Ratte? Oder Geräusche, für die Sie keine Erklärung hatten?« Die Frau starrte mich durch ihre Brillengläser an. Ihre Augen sahen aus, als würden sie in einem Goldfischglas umherschwimmen. Es war offensichtlich, dass sie mich auf eine zurückhaltende Weise zu provozieren versuchte.
    »Nein, es waren eigentlich keine unheimlichen Geräusch. Ich glaube, wir reden aneinander vorbei.«
    »Oh«, sagte die Frau. »Haben Sie denn die Lichter gesehen?«
    »Keine Lichter. Ich habe nur Geräusche gehört.«
    »Wie haben sich die angehört?«, bohrte sie weiter.
    »Geräusche von Tieren. Keine Ahnung. Ratten oder Eichhörnchen oder so.«
    Sie betrachtete mich eindringlich. »Sie haben niemanden schreien gehört?«
    Ich war fast schon entsetzt: »Natürlich nicht!«
    »Hört auf, ich zittere ja schon«, sagte Liz mit gespieltem Entsetzen.
    »Und Sie sagen, dass Sie auch keine Lichter gesehen haben?«, fragte die Frau, während sie Liz völlig ignorierte.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Na gut. Vielleicht kommt das erst noch.«
    Sie sammelte Gläser ein und war im Begriff, in die Küche zurückzukehren, doch ich rief ihr nach: »Augenblick noch.«
    »Ja?«, fragte sie, als sie sich mir wieder zuwandte.
    »Erzählen Sie mir was über die Schreie.«
    Sie hielt kurz inne, dann schüttelte sie den Kopf. »War nur so eine Idee«, sagte sie dann.
    »Erzählen Sie«, beharrte ich. Aber wieder schüttelte sie den Kopf, und ich wusste, dass ich aus ihr nichts herausbekommen würde.
    »Das war etwas sonderbar, findest du nicht?«, meinte Liz,
    die ihren Bierkrug mit ihren blassen Fingern fest umschlossen hielt.
    »Wenn du mich fragst, will sie damit die Touristen unterhalten«, sagte ich. »Eine gute Geistergeschichte gefällt schließlich jedem.«
    »Aber du hast doch etwas gehört.«
    Ich nickte. »Ja. Ich habe sogar etwas gesehen. Vielleicht ein Eichhörnchen oder eine Ratte. Ich werde nachher mal im Telefonbuch den Kammerjäger heraussuchen, vielleicht kann man mir ja jemanden nach Hause schicken.«
    Im gleißenden Licht des Morgens erschien mir das Ding, das auf dem Dachboden an mir vorbeigehuscht war, nicht mehr so Furcht erregend. Immerhin war es da oben stockfinster gewesen. Ich hätte einen Mantel oder einen Vorhangstoff berühren können, das hätte sich mindestens genauso unangenehm angefühlt. Wenn man in Panik gerät, dann kann es sein, dass man sich alle möglichen entsetzlichen Dinge einbildet.
    Ich verstand allerdings noch immer nicht, was es mit dem Blick durch das Fenster der Kapelle auf Fortyfoot House auf sich hatte. Allerdings begann ich zu vermuten, dass es sich um irgendeine Art von Illusion handelte, verursacht durch Übermüdung und Stress. Liz hatte den Garten betreten, und ich hatte aus irgendeinem Grund angenommen, es handele sich um den Mann auf dem Foto. Mein Verstand hatte mir einen Streich gespielt.
    Ich ging ins Café, um zu bezahlen. Die alte Frau saß an einem der Tische und sortierte 5-und 10-Pence-Münzen. Ich stand da und wartete ab, bis sie fertig war. An der Wand hing ein

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