Die Opferung
Haare nach hinten und hob den Kopf. »Ich wusste nicht, dass jemand dort wohnt.«
Ich betrachtete sie von oben bis unten. Sie war vielleicht neunzehn oder zwanzig, kaum älter, ihr Gesicht war oval mit sehr großen Augen, deren Farbe sich irgendwo zwischen Blau und Violett bewegte. Sie trug den billigen Silberschmuck, wie ihn vor allem Studenten tragen: Ohrringe mit Halbedelsteinen. Sie sprach in einem recht gebildeten Englisch mit einem Hauch Hampshire-oder Mid-Sussex-Akzent. Auf eine unvollendete Weise war sie ausgesprochen hübsch, jedenfalls unvollendet für einen Mann, der selbst 33 Jahre zählte und einen siebenjährigen Sohn hatte und dessen Ehe ein Scherbenhaufen war. Und sie war recht klein, was ich nicht gewöhnt war, nicht größer als 1,60 Meter, während ihr schwarzes Sweatshirt erkennen ließ, wie vollbusig sie war.
»Was suchen Sie hier?«, fragte ich sie.
»Ich suche gar nichts. Ein Freund hat mir gesagt, das Haus würde leer stehen.«
»Und?«
»Und ich wollte hier für den Sommer unterkommen. Ich kann mir kein Zimmer leisten. Na ja, ich könnte mir ein Zimmer leisten, aber wenn ich Miete bezahlen müsste, dann würde mein ganzes Geld dafür draufgehen.«
»Aha«, sagte ich und sah mich um. »Sie haben nicht zufällig einen Mann im Haus gesehen?«
»Wie? Was für einen Mann?«
»Ein Mann war im Haus, er trug eine dunkle Jacke und einen hohen schwarzen Hut. Er sah ziemlich altmodisch aus.«
Sie schniefte und schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe niemanden gesehen.«
»Tut mir Leid, dass ich Sie gejagt habe. Ich hatte einen Mann im Garten gesehen und gedacht, Sie wären er. Ich soll mich um das Haus kümmern und es auf Vordermann bringen.«
»Oh, ich verstehe«, sagte sie.
»Da wartet verdammt viel Arbeit auf mich«, sagte ich ihr.
»Es ist aber ein schönes altes Haus, nicht wahr?«, erwiderte sie.
Ich nickte, und dann zuckte ich mit den Schultern. Im Augenblick wusste ich nicht, was ich von Fortyfoot House halten sollte. Nachdem ich dem Ding auf dem Dachboden begegnet war und den schwarz gekleideten Mann im Garten gesehen hatte, war ich gar nicht so sicher, dass ich hier bleiben wollte.
Die junge Frau warfsich den Wäschebeutel über die Schulter. »Also, ich mache mich dann auf den Weg.«
»Wohin wollen Sie gehen?«
»Oh, in Ventnor gibt es ein leer stehendes Wollgeschäft. Da werde ich mein Glück versuchen.«
»Hören Sie...«, sagte ich, während Danny näher kam. »Wir wollten zum Strand gehen, um was zu trinken. Möchten Sie mitkommen? Ihre Tasche können Sie so lange hier lassen.«
»Das wäre toll«, sagte sie. »Wenn Ihre Frau nichts dagegen hat.«
»Ich lebe getrennt. Danny und ich sind jetzt allein.«
Die Frau lächelte Danny freundlich an. »Hallo, Danny, ich bin Elizabeth. Du kannst mich auch Liz nennen, aber nicht Lizzie. Das hasse ich nämlich.«
»Hallo«, sagte Danny argwöhnisch. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Danny, wenn er statt Augen Maschinengewehre gehabt hätte, jede Frau, mit der ich mich unterhielt, in dem Moment niedergemäht hätte, als sie den Mund öffnete. Seine Mom war fort, doch er stellte sich immer noch schützend vor sie.
»Elizabeth kommt auf einen Drink mit uns«, eröffnete ich ihm. »Möchtest du ein Eis?«
Danny nickte.
»Ich habe für den Sommer einen Job im Tropical Bird Park. Ihr könnt mich dort besuchen, ich kann euch sogar umsonst reinlasssen. Und...« - zu mir gewandt - »... sag Liz zu mir.«
»Einverstanden«, sagte Danny.
»Gib her«, sagte ich und nahm den Wäschesack, und dann gingen wir gemeinsam zurück zum Haus. »Arbeitest du professionell mit Vögeln?«, fragte ich sie. »Ornithologin oder so
was?«
»Nein, ich studiere Sozialwissenschaften in Essex im dritten Jahr. Ich werde mich nicht mit Vögeln befassen. Ich hasse Vögel, ich kann ihre kleinen Augen nicht ertragen. Ich schmeiße Hamburger auf den Grill.«
Wir gingen ins Haus. Danny lief voraus bis in die Küche.
»Gibt es irgendeinen bestimmten Grund, warum du ausgerechnet zur Isle ofWight gekommen bist?«, fragte ich Liz.
»Ich weiß nicht, es ist eine Insel, weiter nichts. Inseln sind immer anders. Sie sind irgendwie in der Zeit stecken geblieben, weißt du, was ich meine?«
»Ja«, antwortete ich. »Das weiß ich.« Aus irgendeinem Grund munterte sie mich auf. »Du kannst deine Tasche hier abstellen, das Café sollte inzwischen geöffnet sein.«
Sie sah sich um. »Hier hätte ich mich gerne einquartiert. Ziemlich luxuriös im Gegensatz zu dem,
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