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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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verschwunden.
    Ich ging zu Danny und legte ihm eine Hand auf die
    Schulter. Auf dem Friedhof war es ungewöhnlich ruhig und windstill. Grillen zirpten, blaue Schmetterlinge tanzten um die Kreuze.
    »Mit wem hast du geredet?«, fragte ich Danny.
    »Mit Sweet Emmeline.«
    »Sweet Emmeline? Das ist ein komischer Name.« Ich blickte zurück. Liz kam auch herübergelaufen. »Und wer war der Mann? «
    »Der, den wir schon mal gesehen haben. Er hat gesagt: »Komm, Sweet Emmeline, wir müssen jetzt gehen.< Mehr nicht. Er hatte einen Hut auf.«
    Oh Gott, nicht der junge Mr. Billings!
    »Du meinst den schwarzen Hut? Den hohen schwarzen Hut?«
    »Genau«, sagte Danny und hielt seine Hände hoch über den Kopf. »Den großen schwarzen Hut, der wie ein Schornstein aussieht. Sweet Emmeline hat mich gefragt, ob ich mit ihnen spielen will.«
    »Mit ihnen ? Hat sie gesagt, wer die anderen sind?«
    Meine Fragen schienen Danny zu langweilen. Trotzdem schielte er ständig hinüber zur Kapelle, als fürchte er sich vor dem, was plötzlich dort zum Vorschein kommen mochte. Bauz! Da geht die Türe auf, Und herein in schnellem Lauf, Springt der Schneider in die Stub´, Zu dem. Daumen-Lutscher-Bub. Er schien so verwirrt und verunsichert wie ich darüber, dass Sweet Emmeline problemlos durch diese Türen hatte kommen können. Immerhin war das uns beiden nur gelungen, nachdem ich sie mit meiner Schulter und sehr viel Kraft einen Spaltbreit hatte öffnen können.
    »Lebt sie im Dorf?«, fragte ich Danny.
    »Sie hat nicht gesagt, wo sie lebt.«
    »Und sie hat dir nicht gesagt, wer ihre Freunde sind?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Und sie hat nicht gesagt, wer der Mann ist, der sie mitgenommen hat?«
    Wieder ein Kopfschütteln. Aber dann sah er mich an, und ich konnte in seinen Augen Verständnislosigkeit und Beunruhigung erkennen.
    »Sie hatte Würmer in ihren Haaren. Als sie sich umgedreht hat, waren rote Würmer in ihren Haaren.«
    Oh Jesus, dachte ich. Was ist hier los?
    Liz betrat den Friedhof durch das Tor. Ich nahm Danny auf den Arm und drückte ihn an mich. »Wahrscheinlich war Sweet Emmeline ein Zigeunermädchen, weißt du? Die waschen sich nicht sehr gründlich.«
    Danny klammerte sich an mich, sagte aber nichts. Liz kam zu uns und sah sich um. »Wo sind sie hin?«
    Ich schüttelte den Kopf und versuchte ihr zu bedeuten, dass sie nicht weiterreden sollte. Doch sie verstand mich nicht. Sie ging zur Kapelle und versuchte, die Tür zu öffnen. »Hier durch kann sie wohl kaum verschwunden sein.«
    »Danny und ich haben uns auch schon da durchzwängen können, nicht wahr, Danny?« Ich fühlte seinen spitzes kleines Kinn an meiner Schulter, als er nickte.
    »Na, dann sollten wir doch mal sehen, ob sie dort sind«, schlug Liz vor.
    Wieder wollte ich ihr mit einem lautlosen Nein zu verstehen geben, dass sie aufhören solle, doch Danny drehte sich um und sagte: »Ja, das machen wir.«
    »Bist du sicher?«, fragte ich ihn. Wieder nickte er und rieb sich die Augen.
    Ich ließ Danny wieder zu Boden und ging auf die Doppeltür der Kapelle zu. Liz hielt Danny an der Hand und lächelte ihm zu. Sie schien beruhigend auf ihn zu wirken. Sie wirkte auch auf mich beruhigend, weil sie nett war und weil sie hübsch war. Und weil das Leben ohne Frau immer unvollständig ist. Während ich meine Schulter gegen die Türflügel drückte, wusste ich, dass es mir bei ihr nicht nur um Sex ging, sondern dass ich ihre Weiblichkeit brauchte, so wie Danny auch.
    »Drücken!«, sagte Liz, und ich drückte. Der rechte Türflügel gab ein wenig nach, und während ich ihn aufhielt, zwängten sich Liz und Danny durch die entstandene Öffnung. Ich folgte ihnen und riss mir an einem Nagel die Haut am Ann auf. Eine dünne Spur aus tiefrotem Blut bildete sich auf meiner Haut.
    Die Kapelle war verlassen, sie war ein Meer aus grauen zerbrochenen Dachschindeln. Wir stapften umher, doch von Sweet Emmeline war nichts zu sehen. Auch nicht vom jungen Mr. Billings. Wie auch? Der junge Mr. Billings war seit über hundert Jahren tot, und nach Dannys Beschreibung zu urteilen, war Sweet Emmeline ebenfalls tot. Sehr tot. Tot und verwest, und in ihrem Haar hatten sich Würmer eingenistet.
    Liz kam zu mir und sah mich an. »Irgendetwas stimmt hier nicht, oder? Irgendetwas ist hier sehr seltsam.«
    Ich sah nach oben, wo eine 737 der British Airways über den morgendlichen Himmel donnerte, bis auf den letzten Platz besetzt mit Touristen, die auf dem Flug nach Malaga oder Kreta oder wer weiß

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