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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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würden. Ich glaube sogar, dass er allmählich zu vergessen begann, wie sie aussah und wie sie sich anfühlte. Außerdem mochte er Liz sehr.
    Mein Gott, dachte ich, während Liz zur Straße ging. Vergib uns unsere Verfehlungen und vergib uns, dass wir so verdammt stur und egoistisch sind.
    »Ich würde sagen, dass wir als Erstes in der Küche die alte Farbe abkratzen«, sagte ich zu Danny. »Wir können in der Küche anfangen und uns dann vorarbeiten.«
    »Kann ich nicht wieder Krebse suchen?«
    »Ich dachte, du würdest mir bei der Arbeit helfen.«
    Danny machte einen unerfreuten Eindruck. »Ja ... aber ich kann nicht gut kratzen.«
    »Na gut. Aber bleib in der Nähe vom Strandcafe. Lauf nicht weg und geh nicht ins Wasser. Du kannst ein wenig plantschen, aber mehr nicht.«
    Er nickte, ohne mich anzusehen. Vielleicht hörte er mir gar nicht zu. Oder er hörte mir zu und verstand bloß nicht alles, was ich ihm sagte. Wenn man erwachsen ist, setzt man so viele Dinge voraus. Man setzt voraus, dass man es schon schaffen wird, dass man attraktiv ist, dass die Kinder einen verstehen, wenn man ihnen etwas sagt. Vermutlich hatte
    Danny irgendetwas gehört, was dem entsprach, was er am liebsten machen wollte.
    Ich sah ihm nach, wie er über den Rasen lief, vorbei am Fischteich und durch das Gartentor. Ich sah, wie die Sonne sein frisch gewaschenes Haar leuchten ließ, während er auf dem Weg an den Cottages entlang weiterlief. Man bekommt nicht oft die Gelegenheit, jemanden so sehr zu lieben wie den eigenen Sohn. Ich hatte diese Chance, und dafür war ich dankbar.
    Den ganzen Morgen über verbrachte ich damit, die Fensterrahmen mit beißendem gelblichen Lösungsmittel zu bestreichen und in mühseliger Kleinarbeit uralte Farbe abzulösen. Unter der obersten schwarzen Farbschicht waren mindestens vier bis fünf alte Lagen Farbe, die ich alle abtrug - grün, beige, sonderbar rosa, bis ich das nackte graue Metall erreicht hatte. Diese monotone Arbeit hatte etwas sehr Therapeutisches an sich. Gegen elf Uhr war der größte Teil des großen Rahmens fertig, und ich beschloss, mich mit einem Bier und einem Sandwich zu belohnen.
    Am Strand entdeckte ich Danny. Er hatte offenbar verstanden, was ich ihm gesagt hatte, weil er nur wenige Meter vom Strandcafé vor einem Tümpel zwischen den Felsen hockte und Krebse mit einem Stock ärgerte. Ich würde ihm eine Predigt halten müssen, dass man Tieren gegenüber keine Grausamkeiten begehen soll. Ich betrat den Garten des Cafés und wählte einen Tisch, von dem aus ich Danny sehen konnte. Kurz darauf kam Doris Kemble nach draußen.
    »Was soll's sein?«
    »Ein Lager und eines Ihrer Garnelensandwiches, bitte. Ach ja ... und einen Käsetoast für Sindbad den Seefahrer. Und eine Coca Cola.«
    Sie notierte meine Bestellung auf einem kleinen Block. Ohne mich anzusehen, sagte sie: »Sie hatten Schwierigkeiten im Haus.«
    »Ja«, sagte ich. »Sie haben bestimmt das mit Harry Martin gehört.«
    »Ich habe auch gehört, was Keith Belcher mit Ihrem Wagen gemacht hat.«
    Ich verzog das Gesicht. »Ich habe versucht, Harry davon abzuhalten, sich auf dem Speicher umzusehen. Aber er hat nicht auf mich hören wollen. Er sagte, Brown Jenkin habe seinen Bruder geholt, und darum sei er im Recht.«
    Doris Kemble schauderte sichtlich. Dann setzte sie sich zu mir an den Tisch, als könne sie sich nicht länger auf den Beinen halten.
    »Gesehen haben Sie Brown Jenkin nicht etwa?«
    »Ich weiß nicht, vielleicht schon«, sagte ich vorsichtig. »Ich weiß, dass ich irgendeine Ratte gesehen habe.«
    »Eine sehr große Ratte? Mit einem menschlichen Gesicht? Und menschlichen Händen?«
    »Doris«, erwiderte ich und hielt ihre Hand. »Keine Ratte auf der ganzen Welt sieht so aus.«
    »Brown Jenkin ist keine Ratte. Jedenfalls nicht das, was Sie als Ratte bezeichnen würden.«
    »Und als was würden Sie ihn sonst bezeichnen?«, fragte ich, dann wandte ich mich kurz ab und rief: »Danny! Beeil dich! Mittagessen!«
    Danny stand auf. Er bildete eine schmale Silhouette vor dem glitzernden Sonnenlicht, das vom Sand, von den Pfützen und den Wellen reflektiert wurde.
    »An Ihrer Stelle«, sagte Doris Kemble, während das Sonnenlicht jedes Staubkorn auf ihren Brillengläsern erkennen ließ, »würde ich den Jungen nehmen, und dann würde ich das Haus verlassen. Ich würde es denjenigen überlassen, die wissen, wie man mit Geistern und solchen Dingen umgeht. Die sollten das Haus niederbrennen und das weihen, was dann noch von ihm

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