Die Opferung
»Ich habe nicht geträumt, ich war wach!«
»Ja, okay, ist gut«, besänftigte mich Liz. »Du warst wach. Aber jetzt ist das ... das Ding weg, nicht? Also komm zurück ins Bett und beruhige dich.«
Ich rannte im Schlafzimmer umher und schlug immer wieder mit der flachen Hand auf die Stelle, an der ich die Erscheinung zum ersten Mal gesehen hatte.
»Ich kann mich nicht beruhigen! Ich war wach und ich habe es gesehen!«
»David, seit du hier bist, sind entsetzliche Dinge geschehen ... vielleicht halluzinierst du.«
»Nein! Ich habe eine Nonne gesehen, hier an dieser gottverdammten Wand!«
Liz wartete geduldig, bis mein Wutanfall vorüber war. Ich hatte sie nicht anbrüllen wollen. Ich schrie mich selbst an, und Janie und Raymond, und Harry Martin und Brown Jenkin und alles andere, was mich in dieses Haus gebracht hatte. Ich glaube, sie wusste das auch. In gewisser Weise benutzte sie mich ebenfalls, das verriet ihre Art, mit mir zu schlafen. Es war körperlich sehr intim. Ich hätte alles mit ihr machen können, so wie sie im Gegenzug alles für mich getan hätte. Aber ihre Gefühle waren nicht im Spiel. Mit wem auch immer sie schlief, ich war jedenfalls nicht derjenige. Wahrscheinlich war ich nur der Platzhalter für jemanden, der ihr sein wehgetan halte. Ein Platzhalter im Bett zu sein, ist nicht gerade sehr aufregend, aber manchmal nimmt man, was man bekommen kann.
Schließlich hatte ich mich wieder unter Kontrolle und kehrte zurück ins Bett. Liz schmiegte sich eng an mich und legte ihren Arm um mich.
»Du zitterst ja«, sagte sie.
Ich konnte mich nicht von den Winkeln der Decke losreißen, sie flößten mir noch immer Angst ein. »Ich habe eine Frau gesehen, die sich vorbeugte. Ich schwöre es. Eine Krankenschwester. Oder eine Nonne. Sie war genau dort!«
»David, das kann doch nicht sein.«
»Ich werde diesen Artikel im National Geographie heraussuchen, und ich werde mit Doris Kemble unten im Café sprechen.«
»Du solltest besser mit deiner Bank sprechen und dir Geld für einen neuen Wagen leihen.«
Ich ließ meinen Kopf auf das Kissen sinken. Ich wusste nicht, warum, aber auf einmal liefen mir Tränen übers Gesicht. Ich dachte an den alten Countrysong I've Got. Tears In My Ears Front Lying On My Back And Cryin' Over You. Liz lutschte meine Schulter und küsste mich auf die Wange, während ihre Finger durch meine Haare fuhren. Aber ich war zu müde und zu verstört. Und Sex war nicht die Antwort, die ich jetzt brauchte. Schließlich setzte sie sich auf und lehnte sich über mich, nahm meinen Augen den Blick auf den letzten Rest Mondlicht, um mir einen zarten, flüchtigen Kuss auf die Stirn zu geben.
»Du bist hoffnungslos«, sagte sie.
»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte ich, während ich mir die Augen rieb. »Ich bin nur pleite und verängstigt, und ich mache mir Sorgen um meinen Sohn. Davon abgesehen, bin ich ein großartiger Typ.«
Sie lachte und küsste mich. Ich hielt sie in meinen Armen, bis der Mond verschwand und es sehr dunkel wurde. Ich versuchte zu schlafen, aber ich konnte meinen Blick nicht von den Winkeln der Decke nehmen, obwohl ich sie gar nicht sehen konnte.
Liz schlief. Aber im Fortyfoot House veränderten Dinge ihre Positionen mit hohem Tempo. Bloße Füße huschten fast lautlos über die Dachsparren, pelzige Dinge rannten blind und schnell durch die Hohlräume hinter den Wänden. Der junge Mr. Billings kam näher, dessen war ich sicher. Und begleitet wurde er von ... von was bloß? Als ich aufwachte, schien die Sonne. Ich nahm an, dass mich das letzte Nachhallen eines Kinderschreis aus dem Schlaf gerissen hatte.
Liz öffnete die Augen und sah mich an. Es war ein warmer Morgen, und die Fransen des Lampenschirms bewegten sich leicht in der Brise wie die Beine eines von der Decke herabhängenden Tausendfüßlers.
Sie küsste mich auf die Schulter, dann auf die Lippen.
»Soll ich dir mal was sagen?«, fragte sie. »Du siehst beschissen aus.«
9. Der Priester
Am Morgen aß Liz zwei Weetabix und kippte einen großen Becher Kaffee in sich hinein, um sich auf den Weg zum Tropical Bird Park zu machen. Ich versprach ihr, dass wir sie um fünf Uhr mit dem Bus abholen würden. An der Tür gab sie mir einen Kuss, der keuscher nicht hätte ausfallen können und den Danny im Flur stehend mit einer Mischung aus Nachdenklichkeit und unterdrückter Freude beobachtete. Ich glaube, er begann sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass seine Mutter und ich nicht wieder zusammenkommen
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