Die Opferung
kommt Ihr Junge.«
Ich umfasste ihr Handgelenk.
»Bitte, Doris. Nur ein Ja oder ein Nein. Hat Ihre Mutter Ihnen gesagt, was das für ein Pakt war?«
Sie wartete geduldig, bis ich sie wieder losließ. »Jeder hat nur geraten, es war ein Rätsel. Einige sagten, es sei der Teufel gewesen, aber andere glauben, es sei etwas viel Schlimmeres gewesen. Keiner weiß etwas Genaues.«
Ich ließ sie los. »Tut mir Leid«, sagte ich.
»Keine Ursache«, erwiderte sie. »Das Haus kann jeden verrückt machen.«
Danny kam zum Tisch und setzte sich. »Ich habe sechs Krebse gefangen. Ich habe sie wieder laufen lassen und ich habe ihnen nicht die Beine ausgerissen.«
Ich strich durch sein Haar. »Du warst ja richtig gnädig. Wie wär's mit einem Käsetoast?«
Wir aßen zu Mittag und sahen hinunter zum Strand. Wir sprachen nicht viel, stattdessen genossen wir den Wind und das Meeresrauschen. Nur Doris Kemble verdarb mir die Laune, weil sie mich unablässig so stechend ansah, als wolle sie mir unbedingt noch etwas sagen. Zweimal ertappte ich sie dabei, wie sie zu mir sah und sich auf die Unterlippe biss.
Als wir fertig waren, bezahlte ich und sagte: »Wenn Ihnen sonst noch etwas einfällt, werden Sie es mir doch sagen, oder?«
Sie nickte. Sie tippte die Preise für unser Essen in die
Kasse, und als sie mir das Wechselgeld reichte, sagte sie mit zitternder Stimme: »Es heißt, dass der junge Mr. Billings verheiratet war. Jedenfalls sagte meine Mutter das. Er war mit einer sehr jungen Frau verlobt, die sein Vater aus London mitgebracht hatte, einer Waise, Familienname Mason. Ein sehr sonderbares, wildes Mädchen.«
Ich wartete, das Wechselgeld noch immer in der Hand. »Und?«, fragte ich schließlich.
»Es war so ... der junge Mr. Billings hatte einen Sohn. Aber mit dem Sohn stimmte etwas nicht. Niemand hat ihn jemals gesehen. Die meisten hier dachten, er sei tot, aber niemand hat gesehen, dass er beerdigt wurde. Einige Leute haben getuschelt, dass der Sohn des jungen Mr. Billings behaart und seltsam war. Einige meinten, er sehe wie eine Ratte aus. Manche Leute sagten, der Kerl mit dem braunen Fell im Gesicht, das sei sein Junge, aber genau wusste das niemand.«
»Brown Jenkin«, sagte ich fast tonlos.
Doris Kemble nickte, ihre Lippen hatte sie fest zusammengepresst. Ihr Gesicht glich einer zerschlagenen Fensterscheibe.
»Meine Mutter hat oft davon erzählt, bevor sie starb. Sie war 84, und sie war ein wenig daneben. Sie dachte immer, sie befinde sich wieder in der Zeit, als sie das Haus sauber machte. Der junge Mr. Billings war da ja schon lange tot. Aber die Geschichten, die die Leute ihr erzählten ... Ich würde schon sagen, dass sie bei ihr einen ziemlichen Eindruck hinterlassen haben. Manchmal sprach sie so über den jungen Mr. Billings, als habe sie ihn sehr gut gekannt. Und Brown Jenkin ebenfalls. Brrrr! Mich schaudert, wenn ich nur daran denke.«
»Das kann wohl sein«, pflichtete ich ihr bei. Zur gleichen Zeit dachte ich darüber nach, ob es stimmen konnte, dass das Ratten-Ding der Sohn des jungen Mr. Billings war.
»Können wir gehen?«, fragte Danny ungeduldig.
Aus irgendeinem Grund sah ich aber nicht zu ihm, sondern zu den Cottages, die die Küste säumten und von denen das Strandcafe das letzte Gebäude in der Reihe war. Am Ende des steilen Weges, der vom Fortyfoot House hinabführte, glaubte ich, im Schatten der Bäume einen Mann zu sehen, einen Mann mit einem blassen Gesicht, der komplett in Schwarz gekleidet war. Er sah eindringlich zu uns herüber, seine Augen hatte er zusammengekniffen, damit er uns auf die große Entfernung deutlicher sehen konnte.
Doris Kemble hob den Kopf und bemerkte meine Blickrichtung. Sie drehte sich in die gleiche Richtung, doch genau in dem Augenblick verschwand der Mann, als sei er nichts weiter gewesen als eine optische Täuschung.
Im gleichen Moment kippte direkt hinter Doris' Kopf ein Krug im Regal um und fiel zu Boden, wo er in Stücke zersprang. Eine beunruhigende innere Stimme sagte mir, dass es zwischen dem Verschwinden des Mannes und dem zerbrochenen Krug einen Zusammenhang gab.
Ich nahm den Nachmittag frei, um mit Danny zusammen einige Nachforschungen anzustellen. Hand in Hand spazierten wir auf der kilometerlangen Promenade bis nach Ventnor. Es war ein erfreulicher warmer Tag, das Meer war strahlend blau, und die Möwen kreisten laut schreiend über den Klippen. Wir gingen einen steilen Pfad hinauf, der durch Büsche und Kalkstein führte, bis wir einen
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