Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
den Nacken. Hinter den Zinnen des Turms sah sie einen Schatten. Das Licht des Signalfeuers blendete sie. Der Schatten winkte. Dann verschwand er wieder.
Lilianne und auch Alvarez erwiderten den Gruß.
»Bei den Türmen!«, riefen sie wie aus einem Munde.
Plötzlich fröstelte es die Prinzessin. Sie wollte nicht hierbleiben. Das war ein Gefängnis. Sogar die Gesellschaft von Lilianne wäre besser als der Rabenturm, selbst wenn Juztina nett zu ihr war! Gishild versuchte in das Boot zu springen, doch die dünne Frau hielt sie zurück. Juztina war viel kräftiger, als sie erwartet hätte.
Liliane löste das letzte Tau, und Alvarez stieß den Kutter mit einer langen Stange vom Steg ab. Die Komturin winkte Gishild zu.
»Nimm mich mit!«
»Genieße den Frieden dieses Winters. Wenn ich dich holen komme, werde ich dich nicht auf den Viehmarkt der Diplomatie schleifen, so wie Bruder Charles es getan hätte. Ich bringe dich in eine Seelenschmiede. Tjured allein weiß, welches der schwerere Weg ist. Du wirst dich nach dem Rabenturm zurücksehnen!«
Ich werde nicht mehr hier sein, dachte Gishild trotzig, und dann wurde sie ruhiger. Sollte Lilianne sie nur für ein kleines Kind halten. Das war besser so. Es war klüger, mehr zu
sein, als zu scheinen. Silwyna hatte sie vieles gelehrt. Sie konnte allein in der Wildnis überleben … Zumindest eine Zeit. Hier würde sie nicht lange bleiben. Die Komturin hatte eine große Dummheit gemacht! Sie unterschätzte sie. Gishild wusste zwar nicht, wohin sie die Irrfahrt über die großen Binnenseen verschlagen hatte, denn es war fast die ganze Zeit über regnerisches und diesiges Wetter gewesen, aber sie war zuversichtlich, dass sie sich bis zu den Provinzen durchschlagen konnte. Und wenn sie erst einmal dort war, dann würde man ihr helfen. Sie würde zum Heer zurückkehren, Mutter würde sie heulend in die Arme nehmen, und Vater würde sehr stolz auf sie sein. Sie dachte daran, wie er sie ansehen würde, und sie fühlte sich stark genug, es mit allen Feinden des Fjordlands aufzunehmen.
KOPF ODER ALBENSTERN
Ahtap spähte über den stählernen Bogen seiner Armbrust. Der Wappenschild, den die blonde Frau auf ihr schwarzes Hemd gestickt trug, war ein gutes Ziel. Die Stelle, wo der Stamm des Blutbaums in die Krone überging, musste genau über ihrem Herzen liegen. Wie er sie hasste, diese Ritter! Glatt und kühl schmiegte sich der Abzug der Armbrust an seinen Zeigefinger. Es waren weniger als zehn Schritt. Auf diese Entfernung würde er sein Ziel niemals verfehlen!
Er senkte die Waffe ein wenig. Wenn er sie in den Bauch schoss, dann würde sie einen langen Todeskampf haben, so
wie sein Bruder, den die Ritter mit einer ihrer Lanzen aufgespießt hatten.
Ahtap sah zu dem Jungen. Der Kleine tat ihm leid. In seinem Alter sollte man nicht hilflos mit ansehen müssen, wie jemand starb. Nicht einmal, wenn man ein Dieb war! Der Lutin hatte gesehen, wie der Junge den Barinstein aus der Quelle genommen hatte. Ahtap selbst hatte den Stein dorthin gelegt, damit er nicht verloren in der Finsternis stand, wenn er hierherkam. Selbst so einen kleinen Barinstein aufzutreiben, war ein Kunststück. Sie waren selten. Der Verlust ärgerte ihn. Vielleicht sollte er den Jungen verhexen? Ein zusätzliches Glied in jedem seiner Finger wäre vielleicht eine nette Strafe für einen Langfinger.
Der Kobold unterdrückte ein Kichern. Die verdammte Ritterin sah jetzt genau in seine Richtung. Hatte sie ihn entdeckt? Er wusste nie, wie viel man diesen Blutrittern zutrauen sollte. Die Trottel vom Aschenbaum waren nicht so schlimm, auch wenn sie gute Kämpfer waren. Aber diese Neuen Ritter waren anders. Sie waren Ahtap unheimlich. Er hatte die beiden den halben Nachmittag über beobachtet. Die Blonde schien aus dem Jungen einen Ritter machen zu wollen. Es wäre unverantwortlich, sie am Leben zu lassen. Vielleicht sollte er gleich auch den Jungen töten. Das war sicher gnädiger, als ihn allein hier in den Ruinen zurückzulassen.
Ahtap wusste, dass Lanzac von der Pest entvölkert war. Man konnte auf der Hochebene tagelang wandern, ohne jemandem zu begegnen. Der Junge würde verhungern oder von Wölfen gefressen werden.
Seine Armbrust schwenkte zur Seite. Wenn er zuerst den Jungen erschoss, würde es spannender. Wenn die Ritterin so gut war, wie er befürchtete, dann würde sie wissen, woher der Armbrustbolzen gekommen war. Und wenn sie sofort
losliefe, dann wäre sie vielleicht hier, bevor er die Armbrust erneut
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