Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Dunkelheit!«, flüsterte Ahtap, und der schwarze Wurm kroch ihm weiter entgegen. Es war die Finsternis des Tunnels, die er daraus hervorzog, so wie man quälend langsam ein Bein aus einem zu engen Stiefel zog.
»Friss die Ritterin!«, rief er jetzt laut in der ungeschlachten Sprache der Menschenkinder und spähte zurück. Das verdammte Kriegerweib war stehen geblieben. Angst spiegelte sich in ihren Zügen. Aber sie lief nicht davon. Mit trotzig erhobenem Rapier erwartete sie den Angriff des vermeintlichen Wurms. Sie konnte ja nicht wissen, was hier vor sich ging, dass sie sich lediglich vor einem Stückchen Dunkelheit fürchtete, das aus einem Tunnel schwappte.
Jetzt oder nie, dachte Ahtap und rannte los. Die Dornen zerrissen ihm die Kleider. Er warf sich der Dunkelheit entgegen. Dann war er im schützenden Tunnel. Er spürte die Macht der Albenpfade, die sich bei der Quelle kreuzten. Er war gerettet. Gerade eben noch!
VON DER FREIHEIT
Es roch nach aufgewärmter Fischsuppe. Vor einem großen, gemauerten Kamin mit schweren Eisenhaken für Töpfe stand ein grober Tisch, auf dem ein angeschnittener Laib Brot lag. Um den Tisch waren Bänke aufgestellt und ein einzelner
Stuhl, dessen hohe Lehne so aussah, als habe man ein Zielschießen darauf veranstaltet. Sieben ausgefranste Löcher klafften in dem zolldicken Holz. Das Erdgeschoss des Rabenturms war eben nur mit dem Nötigsten eingerichtet.
Juztina hatte Gishild ein schmales Bett nahe dem Kamin zugewiesen. Es war der einzige Schlafplatz in dem Raum. Ein Sack mit trockenem Heu diente als Matratze. Der Duft des Sommers hatte sich darin erhalten.
Gemeinsam hatten sie beide die Vorräte von der Anlegestelle hier heraufgeschafft. Zweimal hatte Juztina dabei versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Gishild hatte sie einfach ignoriert. Mit einer Drusnierin, die sich zur Dienerin eines Ordensritters gemacht hatte, wollte sie nichts zu schaffen haben, auch wenn sie nett zu ihr war.
Sie blickte zum dunklen Treppenaufgang. Der Ritter hatte sich noch nicht blicken lassen. Gishild hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, wohin sie mit dem Aalkutter gesegelt waren. Doch so viel war gewiss: Sie waren ein gutes Stück von den Grenzen zu den freien Provinzen entfernt. Wozu also brauchte man hier einen Wachturm? Was war der Grund dafür, dass man einen Ordensritter mitten in der Wildnis postierte?
Sie würde nicht lange genug hierbleiben, um das herauszufinden, dachte die Prinzessin grimmig. Offensichtlich hielten sie alle für ein hilfloses, kleines Mädchen. Eine verzogene Prinzessin, die sich schmollend in ihr Schicksal fügte. Sollten sie nur! Wenn Juztina morgen früh aufwachte, würde sie diesen Irrtum bitter bereuen.
Gishild schwelgte in der Vorstellung, was Lilianne wohl mit der Verräterin anstellen würde, wenn sie zurückkam und erfuhr, dass die Prinzessin schon in der ersten Nacht geflohen war. Sie sehnte sich danach, im Wald zu verschwinden.
Endlich all das zu tun, was sie von Silwyna gelernt hatte. Der Spätsommer hatte den Tisch reich gedeckt. Sie würde von Pilzen, Nüssen und Beeren leben. Sie konnte Fische mit der bloßen Hand fangen … Vielleicht würde sie drei oder vier Wochen brauchen, um zu den Fjordländern und den Elfen zurückzufinden, aber sie würde es schaffen.
Gishild sah zur Tür. Sie war aus dicken, dunklen Bohlen gezimmert. Der Sperrbalken lehnte neben der Tür an der Wand.
Juztina blickte auf. »Wir brauchen Wasser.« Sie deutete auf einen Ledereimer nahe der Tür. »Wagst du dich im Dunkeln hinaus?«
Ob sie sich hinauswagte? Gishild hätte jubeln mögen. Sie musste sich sehr beherrschen, sich diese Begeisterung nicht anmerken zu lassen und ein mürrisches Ja herauszubringen.
Die Verräterin beschrieb ihr den Weg zu einer Quelle, die wohl kaum hundert Schritt vom Turm entfernt war.
Gishild schnappte sich den Eimer. Die Tür war unverschlossen. Eine mondlose Nacht erwartete sie. Sie schloss die Tür zum Turm und blickte zum Sternenhimmel empor, um sich zu orientieren. Am besten war es, wenn sie nach Nordwesten ging. Dort sollte sie am ehesten auf Freunde stoßen.
Der Wald begann schon dicht hinter dem Turm. Sie warf den Ledereimer unter einen Busch. Wie lange Juztina wohl auf sie warten würde? Wann würde sie anfangen, sich Sorgen zu machen? Und wann würde sie den Ritter von der Turmplattform holen?
Gishild verließ den schmalen Pfad, der wohl zur Quelle führte, und verschwand im dichten Unterholz. Sie wünschte sich, sie
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