Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Du wirst Schiffe auf dem offenen Meer führen können. Selbst Kochen wird man dir beibringen. Und sollte einer deiner Lehrer zu der Überzeugung gelangen, dass du eine besondere Begabung hast, dann wirst du noch härter herangenommen werden, um das Beste aus dir herauszuholen. Wenn du auf die Ordensschule kommst, dann wirst du sieben Jahre lang zu wenig schlafen. Du wirst vor dem Morgengrauen aufstehen und erst lange nach Sonnenuntergang ins Bett kommen. Dir werden Muskeln schmerzen, von denen du jetzt nicht einmal weißt, dass du sie besitzt. Und wenn du versagst, dann wirst du in Schimpf und Schande davongejagt werden. Nur die Besten reiten unter dem Banner des Blutbaums.«
Luc sah sie fassungslos an. »Und du glaubst, das könnte ich schaffen?«
Sie legte den Kopf schief und lächelte versöhnlich.
»Ich kenne ein verrücktes Mädchen, das davon träumt, auf einem Bären zu reiten, und das Ritterin geworden ist. Warum solltest nicht auch du es können?«
Sie malte mit einer flinken Bewegung einen Haken in den Staub.
»Das ist ein L. Der erste Buchstabe deines Namens. Zeichne ihn in den Sand!«
Luc zog ebenfalls einen Haken.
Dann malte Michelle die anderen beiden Buchstaben seines Namens in den Sand. Er hatte ja gewusst, dass sein Name kurz war. Aber dass er nur aus drei Buchstaben bestand, das fand er irgendwie enttäuschend. Vielleicht sollte er seinen Namen ändern, wenn er Ritter wurde.
Er strengte sich so sehr mit dem Schreiben an, dass ihm schon bald das Handgelenk schmerzte, weil er sich verkrampfte.
Bis zur Abenddämmerung hatte er gelernt, den Namen des toten Grafen zu schreiben. Und sein Verdacht wurde bestätigt. Die Namen bedeutender Männer bestanden aus sehr vielen Buchstaben! Auch die Namen seines Vaters und seiner Mutter lernte er zu schreiben.
Michelle verspottete ihn und sagte, seine Buchstaben sähen aus, als sei eine Schar Krähen durch den Sand gelaufen. Dennoch war Luc stolz auf seine Schreibkünste. Er würde es schaffen, ein Ritter zu werden!
Als sie zu ihrem Lager im Rosengarten zurückkehrten, kümmerte er sich müde um das Feuer und zerließ ein Stück Fett in der Eisenpfanne aus Michelles Feldgeschirr.
Ein leises, zischendes Geräusch ließ ihn aufblicken. Michelle stand vor der Nische in der Mauer. Sie hielt das blanke Rapier in der Hand und sah sich aufmerksam um.
»Jemand war hier«, sagte sie leise. »Die Radschlosspistolen sind verschwunden.«
Luc schluckte. Die weiße Frau! Er sah zu ihr hinüber. Ihr Gesicht war halb in den langen Schatten der Dämmerung verborgen. Ihr Antlitz wirkte härter. Und es schien ihm, als habe sich ihr Lächeln verändert. Es war wissend. Und spöttisch!
Luc hatte es gewusst. Es war keine gute Idee, ihr die Opfergaben zu stehlen. Sie war mehr als nur ein Stein. Alle in Lanzac hatten das gewusst. Selbst der Priester. Und nun war sie zornig, weil Michelle sie bestohlen hatte!
DER RABENTURM
Gishild stand im Bug des Aalkutters. Die Planken waren schlüpfrig vor Blut. Das kleine Schiff stank entsetzlich. Eigentlich war sie seefest, aber hier wurde ihr immer wieder übel. Vielleicht lag es auch an der Wunde, die sie noch peinigte. Sie fühlte sich schwach und verloren. Niemand hatte ihr gesagt, wohin der Kutter fuhr. Verzweifelt blickte sie zum nahen Horizont.
Es war diesig, den Morgen über hatte es geregnet. Ihre Kleider waren klamm. In dem offenen Boot gab es keine Stelle, wo man sich vor dem Regen verbergen konnte. Und es gab auch keine Möglichkeit, Kleider zu trocknen, die einmal feucht geworden waren.
Gishild rieb sich die Hände über die Arme. Sie fror auch am Kopf. Rotgoldene Stoppeln ließen langsam ihre Glatze verschwinden.
Aber es würde noch viele Monde dauern, bis sie endlich wieder so aussah, wie sie es sich wünschte.
Hasserfüllt blickte sie zu Lilianne. Die ehemalige Komturin stand im Heck des Bootes an der Ruderpinne und steuerte dem Licht entgegen, das im grauen Dunst erschienen war. Einen Fuß hatte sie auf die große, bleiummantelte Kiste gestellt, auf der sie sich nachts zur Ruhe legte. Die Ritterin ließ die Kiste nie aus den Augen. Manchmal glaubte Gishild, Geräusche in ihr zu hören. Es machte sie neugierig. Aber sie war zu stolz, um Lilianne nach der Kiste zu fragen.
Die Komturin bemerkte ihren Blick. Sie gab Alvarez einen Wink, und er übernahm das Ruder. Der Galeerenkapitän hatte sich den Schnauzbart abrasiert und verbarg sein lockiges Haar unter einem breitkrempigen Hut. Mit dem silbernen Ohrring und dem
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