Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
begann es ihr zu schaffen zu machen. Sie fühlte sich hier überflüssig. Ihr Leben hatte keine Bedeutung mehr. Langeweile hatte sie bisher nie gekannt. Es war ein schreckliches Gefühl. Vor allem, wenn kein Ende in Sicht war.
Allein Luth, der Schicksalsweber, mochte wissen, wann Lilianne zurückkehrte. Sie war die Verkörperung all dessen, was ihr Vater und die Albenkinder bekämpften. Gishild würde die Komturin töten, wenn sich die Gelegenheit böte. So leicht wie beim letzten Mal würde sie sich nicht wieder überrumpeln lassen. Sie hatte nicht überlegt gehandelt, wie Silwyna es sie gelehrt hatte. Töten musste man kalten Herzens. Am besten würde sie eine Pistole nehmen. Sie sah zu dem Lehnstuhl mit den Einschusslöchern. Eine Pistole musste es hier geben … Wo sie wohl war?
Gishild blickte zur Stiege, die den Turm hinaufführte. Bestimmt verwahrte der Ritter die Waffe!
Juztina war irgendwo im Wald Pilze sammeln. Sie würde so schnell nicht wiederkommen! Und der verfluchte Ritter musste auch irgendwann einmal schlafen. Sollte sie es wagen?
Was mit Drustan wohl nicht stimmte? Aus Juztina war nichts herauszubekommen. Nur dass er gefährlich war, hatte sie gesagt, und dass man ihm besser nicht zu nahe kam.
Heute Morgen noch hatte Gishild den Ritter singen hören. Ein langes, trauriges Lied. Sie hatte die Worte nicht verstanden. Aber die Melodie und seine wunderschöne Stimme hatten ihr Herz berührt. Konnte jemand, der so schön singen konnte, böse sein?
Die Prinzessin stand auf und ging zur Treppe. Sie wusste nicht einmal, was für Räume es über dem kargen Zimmer gab, das sie mit Juztina am Fuß des Turms bewohnte. Vielleicht fand sich oben ja ein Buch. Oder Kisten, die man durchstöbern konnte. Zu Hause in Firnstayn hatte sie es geliebt, sich zum Dachstuhl davonzustehlen und in den Truhen herumzustöbern, in denen der Plunder von Jahrhunderten gestrandet war.
Und sie musste wissen, wo der Ritter seine Pistole verwahrte, dachte sie mit kalter Entschlossenheit. Lautlos huschte sie die gewundene Treppe hinauf. Ihr Herz schlug schneller. Die nächste Etage war eine Enttäuschung. Durch drei schmale Schießscharten fiel Licht in den runden Raum, der das ganze Turmgeschoss einnahm. Hier stapelten sich Vorräte. Fässer mit Pökelfleisch. Säcke mit Bohnen und Linsen. Honigtöpfe, vertrocknete Kräuter, auf Holzgerüste aufgespannte Felle. Nichts Besonderes. Nur eine Vorratskammer.
Wieder spähte Gishild zur Treppe. Wie hoch sie wohl jetzt war? Sie ging zu einer der Schießscharten. Sie war viel zu schmal, um den Kopf hindurchzustecken. So konnte sie nur
hinab auf den felsigen Grund blicken, der den Turm umgab. Es gab bestimmt noch eine weitere Etage. Vielleicht sogar zwei?
Vorsichtig trat sie auf die Treppe. Ihre Stiefelsohlen scharrten leise. Sie kauerte sich nieder und zog die Stiefel aus. Dieses Abenteuer würde sie richtig angehen. Sie würde sich so verhalten, als ob sie ins Heerlager eines Feindes schlich.
Die steinernen Stufen waren kalt. Splitter vom Brennholz lagen herum und stachen nach ihren Füßen. Der Geruch des trocknenden Holzes stieg ihr in die Nase. Schon nach der ersten Kehre der Wendeltreppe verengten sich die Stufen. Entlang der Außenwand waren bis zur Decke hinauf Scheite gestapelt.
Gishild verharrte und lauschte hinauf in die Dunkelheit. Ein Rabe krächzte. Ein quietschendes Geräusch wie von einer Türangel erklang. Dann war es still.
Mit angehaltenem Atem schlich sie ein paar Stufen weiter. Dort, wo die Treppe in ein neues Stockwerk mündete, erhob sich eine Wand aus aufgestapeltem Holz. Sie versperrte den Blick in die runde Turmkammer. Sollten jemals Angreifer diese Treppe hinaufkommen, dann wäre es ein Leichtes, sie unter einer Lawine von Holz zu begraben.
Vorsichtig trat Gishild an das Ende der hölzernen Mauer. Ein dicker Käfer krabbelte über ihre nackten Füße. Fliegen summten in der Luft. Es stank nach abgestandener Fischsuppe. Wie sie diese Suppe hasste! Dauernd kochte Juztina Fischsuppe.
Die Prinzessin kauerte sich auf die Knie und spähte um die Ecke. Durch zwei Schießscharten schnitten Lichtbahnen in die muffige Dämmerung der Kammer. An der gegenüberliegenden Wand stand ein ungemachtes Bett. Zwei Truhen und ein großer Wandschrank verhießen all jene Schätze, auf die
sie insgeheim gehofft hatte. Neben dem Bett lag ein Buch auf einem Schemel. An der Wand lehnte ein Rapier mit prächtigem, brillantenbesetzem Korb. Das Licht, das durch eine der
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