Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
feststand, dass er dem Orden nie mehr mit dem Schwert dienen könnte. Es ist nicht leicht, mit ihm zu leben. Er steckt voller Wut. So wie du. Aber er hat mich niemals geschlagen. Ich werde hier mit ihm durchhalten. Und mit dir. Es ist wichtig, dass wir hier sind.«
Gishild stand auf und trat vor Juztina. Sie konnte der Frau nicht in die Augen sehen. Vorsichtig ergriff sie deren Hände. Sagen konnte sie immer noch nichts. Aber als Juztina ihre Hände sanft drückte, da wagte sie zu hoffen, dass die Drusnierin ihr vielleicht vergeben würde. Und Gishild schwor sich, sich nie wieder dazu hinreißen zu lassen, eine andere Frau Hure zu nennen.
DAS WORT EINES RITTERS
Starr vor Schreck blickte Luc auf den schwarzen Wurm, dieses grässliche, sich windende Ding, das gerade das fuchsköpfige Kind gefressen hatte. Michelle wich vor dem Ungeheuer nicht zurück. Aber wie viel würde sie allein dagegen ausrichten können?
Luc griff in die Tasche mit dem Pulverhorn und der Büchse mit Bleikugeln. Er konnte, ja, er durfte sie jetzt nicht im Stich lassen.
»Bleib zurück!«
Die Ritterin musste seine Schritte gehört haben, aber dieses eine Mal würde er ihren Befehl einfach ignorieren.
Luc rannte, wie er noch nie gelaufen war. Mit seinen billigen Sohlen schlitterte er über das Pflaster, als er anzuhalten versuchte. Auf den Knien kam er bei den beiden Pistolen an, die Michelle abgelegt hatte.
Hunderte Male hatte sein Vater ihn die Handgriffe üben lassen. Das Pulverhorn öffnen und Pulver in den Lauf füllen. Eine Kugel in ein Pergamentstück gerollt in den Lauf drücken. Mit dem Büchsenschlüssel das Radschloss spannen. Den Hahn mit dem Feuerstein prüfen. Eine Prise Pulver in die Pulverpfanne gefüllt. In weniger als dreißig Herzschlägen war die Pistole schussbereit.
Als Luc aufblickte, war der grässliche Wurm verschwunden.
»Was …«
Michelle stieß ihr Rapier in die Scheide zurück. »Wir müssen fort von hier.« Sie deutete auf das Loch in der Mauer. »Gott allein weiß, was noch dort lauert.«
Luc dachte daran, wie er in dem Tunnel gewesen war. Ihm wurde ganz flau bei der Vorstellung, was ihm dort statt Schmetterlingen hätte begegnen können.
»Wo ist der Junge mit dem Fuchskopf?«
»Das war ein Kobold, kein Kind! Er wird seine Kameraden holen. Wir sind hier nicht mehr sicher. Lass uns zu den Pferden gehen.«
Luc gehorchte. Michelle griff schweigend nach den Satteltaschen. Die Stille bedrückte Luc. Schließlich hielt er es nicht mehr aus.
»Habe ich etwas falsch gemacht?«
Sie schob die geladene Pistole ins Sattelholster.
»Du bist schnell«, antwortete sie kühl.
Er war begierig auf jedes Lob von ihr. Doch diesmal erfüllten ihn ihre Worte nicht mit Stolz. Sie waren vorgeschoben. Etwas anderes ging ihr durch den Kopf.
Luc zog den Sattelgurt fest. Dann blieb er einfach mit vor der Brust verschränkten Armen stehen. Er wollte, dass sie ihn ansah und redete.
Doch Michelle sattelte ihr Pferd und saß auf. Er war wie Luft für sie. Sie griff nach den Zügeln des Packpferdes und dann ritt sie im Schritt aus dem Rosengarten.
Fassungslos sah er ihr nach. Was hatte er getan! War das die Strafe dafür, dass er ihren Befehl missachtet hatte? Er hatte ihr helfen wollen! Hätte er denn wie ein Feigling bei den Pferden bleiben sollen?
Der Hufschlag verhallte zwischen den Ruinen. Sie ließ ihn tatsächlich zurück! Er hatte darauf gehofft, dass sie anhalten und warten würde.
Seine Kehle wurde ihm eng. Er war wieder allein. Und er wusste nicht einmal warum. War es wegen des Schattenwurms? Zog er diese Geschöpfe an? War er wirklich ein Wechselbalg?
Luc betrachtete den Rucksack, den der Kobold fortgeworfen hatte. Der Lauf einer Pistole ragte heraus. Er ging hinüber, nahm die beiden prächtigen, silberbeschlagenen Waffen und legte sie auf den Sockel der weißen Frau. Er hatte versprochen, ihr seinen kostbarsten Besitz zu opfern. Er durfte sie nicht mitnehmen!
Traurig saß Luc auf. Kein Mond stand am Himmel. Ein kühler Wind strich durch die Ruinen. Er kam an dem Brunnen vorbei, wo er vor ein paar Stunden erst mit Michelle gelegen hatte, um von einer wunderbaren Zukunft zu träumen. Und jetzt war alles dahin. Gestohlen von dem Fuchsjungen.
Luc ließ die Zügel los, damit sich der Hengst allein einen
Weg aus der verfallenen Stadt suchte. Der Junge wusste nicht, wohin er sich wenden sollte.
Das Pferd wandte sich nach Norden. Nach Aniscans. Etwa eine Meile voraus sah er die Umrisse eines Reiters. Michelle?
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