Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Sie hatte angehalten.
Luc trieb den Hengst zum Galopp, und so wild die Hufe auf den ausgetrockneten Boden hämmerten, so wild schlug auch sein Herz.
Michelle erwartete ihn regungslos.
»Hast du dich entschieden?« Ihre Stimme klang nicht eben freundlich.
Luc wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte.
»Du hast mich an einen Ort gebracht, an den die Anderen kommen«, sagte sie mit belegter Stimme. »Du hast mich geheilt … Und wenn ich jetzt lebe, dann weiß ich nicht, ob ich es einem gesegneten Wunder oder der Magie der Anderen verdanke. Ja, ich weiß nicht einmal mehr, ob Honoré vielleicht doch recht hatte.« Sie hob in hilfloser Geste eine Hand. »Es war doch ein Gottesurteil … Oder wirkte auch dort schon die unselige Kraft der Anderen? Wirkt sie durch dich, Luc?«
Der Junge konnte sie nicht ansehen. Er war verzweifelt, denn er wusste keine Antwort auf ihre Fragen.
»Warum hast du so lange gebraucht, mir zu folgen? Was hast du im Rosengarten getrieben? Dein Pferd war gesattelt. Du hättest nur aufsitzen müssen.«
Luc hätte heulen mögen. Wenn er jetzt die Wahrheit sagte, dann war alles vorbei! Wenn sie hörte, dass er die Pistolen doch noch geopfert hatte, dann würde sie ihn endgültig verstoßen! Und wenn er sie belog, dann verriet er die Ideale des Rittertums. Ein Ritter durfte nicht lügen!
»Nun, hast du mir nichts zu sagen?«
Der Junge saß stocksteif auf dem Pferd, reckte das Kinn
vor und sah sie an. »Ich habe noch einmal der weißen Frau geopfert.«
Der Wind blies ihm Staub ins Gesicht. Michelle war nur ein Schatten, sie schwieg. Müsste sie ihn jetzt töten? Bestimmt! Sie hatte ja nicht einmal gezögert, einen ihrer Ordensbrüder zu erschießen.
»Ich habe dich beobachtet«, sagte sie schließlich. »Ich bin abgesessen und habe die Pferde vorangehen lassen. Und es hat mich betrübt, was ich gesehen habe. Wenn du mich jetzt belogen hättest, dann hätte ich dich davongejagt.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Luc, du musst dich entscheiden, auf welcher Seite du stehst! Es ist keine Kleinigkeit, den Heidengöttern zu opfern!«
»Ich musste doch mein Wort halten«, entgegnete er kleinlaut.
»Nein! Du darfst sie erst gar nicht um Hilfe bitten. Ganz gleich, wie verzweifelt du bist. Es gibt keine anderen Götter außer Tjured. Wenn du dich an die Götzen der Heiden wendest, dann rufst du in Wahrheit die Anderen herbei und sorgst dafür, dass sie ihre Macht in unserer Welt nicht verlieren. «
Sie sah ihn unendlich traurig an. »Ich glaube nicht, dass du in deinem Herzen böse bist, Luc. Doch die Anderen scheinen ein besonderes Augenmerk auf dich zu haben, und du bist leicht zu verführen. Vielleicht habe ich dich allzu leichtfertig eingeladen, mein Reisegefährte zu sein. Nun sehe ich dich mit anderen Augen, auch wenn ich dir mein Leben verdanke. Ich stehe in deiner Schuld … Aber ich weiß nicht mehr, ob die Hand Gottes auf dir ruht oder ob du unwissend das Werkzeug des Feindes bist. Ich werde dich prüfen müssen, Luc.«
Er sah sie an, und sein Herz war ihm schwer. Eben noch hatte sie ihm vertraut … Wie konnte ihr Bund so schwach
sein? Wie konnte sie nach allem an ihm zweifeln? Alles hätte er für sie getan!
»Sieh mich nicht so an!« Ihre Stimme klang gezwungen harsch. Sie schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. »Verdammt, Luc! Ich wünschte, ich hätte dich nie getroffen! Was machst du mit mir, Junge? Jeder Ordensritter bei klarem Verstand muss dich für einen verdammten Heiden halten. Vielleicht noch für Schlimmeres! Wie konntest du der weißen Frau opfern, nach all dem, was war?«
»Du sagtest, es sei nur ein Stein …«
»Ja! Und das meine ich auch immer noch so. Aber indem du diesem Stein Opfer bringst, gibst du ihm Bedeutung. Mit solchen Taten ruft man die Anderen herbei! Ich hätte einfach aufsitzen und fortreiten sollen. Dich kleinen Rotzbengel vergessen … Du machst mir Angst! Honoré war so überzeugt, dass du ein Wechselbalg bist. Heute, als der Kobold kam, wurde mir klar, dass er auch in mein Herz die Saat des Zweifels getragen hat. Der Kobold ist bestimmt aus diesem Tunnel gekommen, in dem du warst. Und von dort kam auch der üble Wurm! Wie konntest du einen solchen Platz vorher unbeschadet besuchen? Bist du doch einer von ihnen? Als du hinter mir die Pistole geladen hast, hatte ich plötzlich Angst, du würdest mir in den Rücken schießen.«
»Wie könnte ich das tun? Ich verehre dich«, begehrte Luc auf, der die Welt nicht mehr
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