Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Spiel mit uns. Sag mir, was das für ein Mädchen ist. Noch einmal werde ich nicht danach fragen.«
Lilianne sah die beiden an. Sie wollte Zeit gewinnen. Sie standen jetzt auf der Mitte der weiten Wiese. Zumindest würde es hier ganz sicher keine ungebetenen Lauscher geben.
Aber wie viel durfte sie preisgeben? Die Drohung, dass die beiden zu Leon gehen könnten, hatte keinen Schrecken für sie. Er war als Einziger in alles eingeweiht. Er hatte niemandem sonst von dem Mädchen erzählt. Für alle hier war sie nur eine junge, adelige Fjordländerin. Und angeblich war ihre Familie treu dem Tjuredglauben ergeben. Diese Lügen dienten Gishilds Schutz. Es war besser, wenn die anderen Novizen nicht wussten, dass die Thronerbin ihrer Todfeinde mitten unter ihnen weilte. Und die übrigen Ritter sollten es auch nicht erfahren.
»Was hat sie denn getan?«
Michelle hob abwehrend die Hände.
»Gut! Ich sehe, du willst nicht mit uns reden. Wir gehen zu Leon. Komm, Drustan!«
Der Ritter zögerte, aber Michelle wollte schon davonstürmen, als Lilianne sie am Arm packte und zurückhielt.
»Führ dich nicht auf wie eine Novizin! Gishild ist so etwas wie eine Geisel. Ein Faustpfand für einen künftigen Frieden mit dem Fjordland. Leon weiß alles über sie. Es ist zu ihrem Schutz, wenn ich euch nicht verrate, wer sie ist.«
»Und wer schützt meine Löwen vor ihr? Du hättest sie sehen sollen. Wie sie sich bewegt!« Drustan war jetzt ruhiger. »Was für ein Kuckucksei hast du mir da in mein Nest gelegt?«
»Was, bei allen Heiligen, hat sie denn getan?«
»Sie kann fechten wie ein Elf. Nein, nicht wirklich«, schränkte Michelle sofort ein. »Aber du hättest sehen sollen, wie sie sich bewegt. Es ist mir eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Sie muss von Elfen unterrichtet worden sein. Zum Glück ist sie noch klein. Verdammt, wer ist sie?«
Lilianne blickte zu Drustan. Ihrer Schwester hätte sie das Geheimnis verraten. Aber er … Konnte man ihm trauen? Es
hatte ihm gutgetan, vom Rabenturm fortzukommen. Vielleicht würde er sogar ein guter Lehrer werden. Aber war sein Wahnsinn überwunden? Oder schwelte er noch in ihm, konnte er jederzeit neu auflodern?
»Soll ich gehen?«, fragte Drustan mit tonloser Stimme.
Er wusste, was sie dachte. Sieben Jahre hatten sie jeden Tag miteinander verbracht. Sie waren Löwen derselben Lanze. Wem sollte sie trauen, wenn nicht den Brüdern und Schwestern aus ihrer Lanze? Sie hätte für den Orden ohne zu zögern ihr Leben gegeben. Aber das Band zu ihrer Lanze war noch stärker. Und sie würde Drustan noch brauchen.
»Sie ist Gishild Gunnarsdottir. Die Thronfolgerin des Fjordlands. «
Drustan nickte. »Das erklärt einiges.«
Lilianne war enttäuscht von dieser Reaktion. Irgendwie hatte sie mehr erwartet. Hatte er die Wahrheit vielleicht schon längst erraten?
Michelle pfiff leise durch die Zähne. »Eine echte Prinzessin also? War sie der Grund für die Ereignisse in Drusna?«
»Ja.«
Die Mehrzahl der einfachen Ritter und selbst der Würdenträger des Ordens war nicht über den wahren Hintergrund der Gefechte unterrichtet worden, die Lilianne letztlich ihr Amt als Komturin gekostet hatten. Je weniger Personen wussten, wer Gishild wirklich war, desto sicherer war das Mädchen.
»Ich kann mich auf eure Verschwiegenheit verlassen? Ihr wisst nun um das wahrscheinlich größte Geheimnis unseres Ordens.«
Für einen Augenblick herrschte bedrücktes Schweigen.
Drustan schüttelte den Kopf.
»Sie wird immer eine Heidin bleiben.«
»Nein«, widersetzte sich Lilianne. »Nein, so muss es nicht sein.«
»Du weißt nichts von ihr«, widersprach der Magister. »Nichts! Sie ist dickköpfig, du solltest sie nur sehen. Sie hat keine Freunde in der Lanze. Sie sondert sich immer ab. Alle wissen, dass sie nur die Lippen bewegt, wenn wir gemeinsam beten. Die anderen Novizen halten sich von ihr fern. Als sie Joaquino vor dem Ertrinken gerettet hat, da hätte sie sich in den Herzen ihrer Kameradinnen und Kameraden einen Platz erobern können. Sie wollte nicht. Sie ist …« Er hob verzweifelt seinen verbliebenen Arm. »Sie ist sehr stark. Aber auch sehr störrisch!«
»Sie ist vor allem ein Mädchen von elf Jahren«, versuchte Lilianne ihn zu beruhigen. »Sie wird es nicht lange aushalten ohne jemanden, dem sie sich anvertrauen kann. Würde Juztina uns ihre Geheimnisse verraten?«
Drustan überlegte kurz. Dann nickte er.
»Mir nicht. Aber wenn du sie fragst …«
»Sie braucht eine Freundin«,
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