Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Teil Drusnas innehatte.
»Wir wissen doch, dass man sich nicht gegen übles Gerede wappnen kann, ganz gleich wie tadellos der Lebensweg auch sein mag, den man beschreitet«, entgegnete Charles ausweichend.
Lilianne sah ihn weiterhin unverwandt an. »Ich denke nicht an die Opfer, sondern an jene, die leben werden. Wir werden unsere Feinde zu einem Frieden zwingen können, weil sich das Mädchen in unserer Hand befindet. Ist der Preis eines Scharmützels zu hoch, wenn etliche Schlachten deshalb nicht mehr geschlagen werden müssen?«
Charles hasste die Sprache der Krieger. Scharmützel, das hörte sich so belanglos an. Er mochte nicht daran denken, was sich auf der Lichtung abgespielt haben mochte, bei der
ihre Kämpfer angetreten waren, um ihnen ein wenig mehr Zeit für ihre Flucht zu erkaufen. Der Erzverweser wich einer Antwort aus. Alles, was er hätte sagen wollen, würde zu einem offenen Streit zwischen ihnen führen. Er blickte hinaus auf den See, zu den beiden Galeeren und der mächtigen Galeasse mit ihrem trutzigen Vorderkastell. »Hattest du von Anfang an geplant, das Mädchen zu entführen?«
»Ich habe mich lediglich auf eine Flucht vorbereitet. Es zeichnet gute Heerführer aus, sich immer die Möglichkeit eines Rückzugs offen zu halten. Und die sollten wir nicht vertun, indem wir hier herumstehen und reden.« Die Komturin wies zu dem größeren der beiden Boote. »Nach dir, Bruder Charles.«
Nach dem scharfen Ritt in der Sommerhitze war es angenehm, in das kühle Wasser zu steigen. Charles raffte seine Kutte und watete den seichten Uferstreifen entlang. Ruderer streckten ihm die Hände entgegen und halfen ihm an Bord. Er ließ sich auf einer Bank in der Mitte des Bootes nieder. Neben ihm ruhte die kleine Prinzessin auf einem breiten Brett, das längs über den Ruderbänken lag. Man hatte den schwarzen Schlamm von ihrem Gesicht gewaschen; es war jetzt fast so bleich wie das Leinenhemd, in das man sie gekleidet hatte.
Durch ihre Verbände war Blut gesickert und hatte das Hemd getränkt. Ein dunkler Fleck wie das Wappen eines roten Mondes prangte auf ihrer Brust.
Die Lippen der Kleinen waren ganz blau. Der Erzverweser strich ihr sanft über die Wangen. Ihre Haut war kalt wie die einer Toten. Es mochte sein, dass Lilianne recht behielt und sie großen Nutzen aus dieser Entführung ziehen würden. Vielleicht konnte man einen günstigen Frieden mit den Heiden erzwingen. Einen Frieden, der die Zerschlagung Drusnas
besiegelte. Doch moralisch war diese Tat nicht zu verantworten.
Auf ein Kommando des Bootsmanns hin legten sich die Ruderer in die Riemen. Die Komturin zog sich aus eigener Kraft an Bord. Charles beobachtete die Seeleute. Keiner wagte es, die Ritterin mit einem begehrlichen Blick zu erzürnen. Lilianne war keine Schönheit. Sie hatte ein zu hartes, markantes Gesicht für eine Frau, fand Charles. Und eine Aura kalter Unnahbarkeit umgab sie. Die Neue Ritterschaft betrachtete sich in jeder Hinsicht als die Elite der Tjuredkirche. Sie waren Krieger, Heiler, Gelehrte … Charles empfand ihr Streben nach Vollkommenheit als einen Makel. Allein Gott war vollkommen! Man konnte also sagen, sie versuchten wie Gott zu sein. Das war Ketzerei … Ob schon andere Kirchenfürsten auf diesen Gedanken gekommen waren? Die Macht, welche die Elite der Ritterschaft in den letzten Jahren errungen hatte, war beunruhigend. Sie verfügten über riesigen Landbesitz, eigene Flotten, und sie führten – sehr zum Ärger des älteren und größeren Ordens der Ritter vom Aschenbaum – das Kommando über alle Heere der Kirche.
Das Boot hob und senkte sich in der Dünung. Als sie das Ufer hinter sich ließen, wurden die Wellen flacher. Charles war überrascht, dass sie auf eine der Galeeren zuhielten und nicht auf die mächtige Galeasse, die offensichtlich das Flaggschiff des kleinen Geschwaders war.
Alle drei Schiffe waren rot gestrichen. Beschläge aus poliertem Messing funkelten in der Abendsonne. Die weißen Ruder waren ausgerannt. Wie riesige Wasserläufer lauerten sie, bereit, auf ihren Dutzenden dünnen Ruderbeinen zu flüchten, sobald Lilianne den Befehl dazu gab.
Die beiden Galeeren waren Einmaster. Die Segel waren eingeholt, doch Charles sah, dass die Seeleute in Bereitschaft
standen. Die Anker zu lichten und die Segel zu setzen, würde nur wenige Augenblicke dauern. All ihre Magie und Kriegskunst würde den Anderen nun nicht mehr helfen. Die Schiffe einzuholen wäre unmöglich.
Der Gestank ungewaschener Männer
Weitere Kostenlose Bücher