Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
hatte sich hier erhalten. Da war Luc sich ganz sicher, egal, was der Priester in seinen Predigten erzählt hatte.
Mit festem Schritt ging er vorbei an den Rosenbüschen zu der Mauernische, in der die Ritterin lag. Sie schlief. Er scheute sich, sie anzusehen. Sie war nackt. Kalter Schweiß glänzte auf ihrem Leib. Wie konnte es sein, dass sie erkrankt war? Sie war eine der edelsten Dienerinnen Tjureds, da war sich Luc ganz sicher. Sein Vater hatte immer voller Respekt von der Neuen Ritterschaft gesprochen.
Luc tupfte Michelle mit einem Leintuch über das Gesicht. Sie glühte. Vorsichtig tauchte er das Tuch in die Schüssel mit kaltem Essigwasser, die er vorbereitet hatte. Dann legte er es ihr auf die Stirn. Es würde die Hitze des Fiebers aufnehmen.
Luc sah zu dem breiten, ausgerollten Ledergürtel mit all den schmalen, aufgenähten Taschen, in denen Messer, Zangen und andere seltsame Gerätschaften steckten, für die er keinen Namen wusste. Als er sich geweigert hatte fortzulaufen, hatte ihm die Ritterin genau gesagt, was zu tun war. Sie hatte ihm auch erklärt, dass sie sehr wahrscheinlich sterben würde, selbst wenn er all ihre Anweisungen genau befolgte. Ja, schlimmer noch, wenn er ihre Pestbeule öffnete, dann würde auch er keine fünf Tage mehr leben.
Luc strich mit der Hand über die Auswahl an Messern. Manche hatten gezahnte oder seltsam gebogene Klingen. Ihm war mulmig zu Mute. Er wählte das kleinste Messer aus. Es hatte einen Griff aus Elfenbein und war sehr leicht.
Seine Hand zitterte, als er sich zu Schwester Michelle umdrehte. Sein Mund war plötzlich ganz trocken. Ihm war übel.
Bei Tjured! Sie hatte ja die Augen auf! Sie war wieder erwacht. Die Lippen der Ritterin bewegten sich. Er musste sich dicht über sie beugen, um sie zu verstehen.
»Du … du bist ein sehr tapferer Junge, Luc. Ich bewundere dich …« Sie lächelte erschöpft. »Es wäre mir eine Ehre, dich besser kennenzulernen … Ganz gleich, was auch geschieht, du hast schon jetzt mehr getan als die meisten Heiler. Sie weigern sich, jemanden wie mich auch nur zu berühren.«
Luc war verlegen. Wenn sie ahnte, welche Angst er hatte, würde sie nicht mehr so von ihm reden. Hatte sie denn nicht gesehen, wie seine Hand zitterte?
»Fang jetzt an.«
Er atmete tief durch. Als er das Messer auf die Beule an ihrer Leiste setzte, zitterte seine Hand nicht mehr. Michelle hatte jetzt noch mehr von den schwarzen Flecken am Leib. Sie hatte ihm gesagt, dass dies ein schlechtes Zeichen sei. Die üblen Säfte aus der Beule breiteten sich in ihrem Körper aus. Manchmal hustete sie. Dann trat Blut auf ihre Lippen.
Luc sah das Messer an. Er hatte noch nie jemanden verletzt. Außer den Sohn des Seifensieders, dem er einmal eine blutige Nase geschlagen hatte … Aber das war etwas anderes gewesen. Das hatte der blöde Kerl sich nur verdient. Jetzt hier mit einem Messer zu stehen … Er konnte das nicht!
Die Ritterin sah ihn so an, wie ihn sein Vater angesehen hatte, als Luc zum ersten Mal auf einem großen Pferd gesessen
hatte. Er hatte keine Angst gehabt herunterzufallen. Aber das hier …
Er betrachtete zögerlich die große Beule. Sie war fast schwarz. Er musste etwas tun. Es war Gift darin. Sie würde Schwester Michelle töten, wenn er sie nicht öffnete!
Luc presste die Lippen zusammen. Er musste nur ganz leicht auf das Messer drücken. Ohne Mühe schnitt es durch die Haut. Dunkler Eiter trat hervor. Die Ritterin spannte sich an und stöhnte.
Er schnitt tiefer und drückte auf die Wunde. Übler Gestank stieg auf. Es floss so viel Eiter. Jetzt war auch Blut dabei. Hatte er etwas falsch gemacht?
Schwester Michelle war wieder ohnmächtig. Er war ganz allein! Die Wunde musste gut ausbluten, hatte sie ihm gesagt. Und er sollte sie mit einem in Essig getränkten Tuch auswaschen.
So viel Blut und Eiter. Sie lag schon in einer Pfütze. Was konnte er tun, damit es wieder aufhörte zu bluten? Hatte er doch zu tief geschnitten? Das Messer entglitt seinen Händen.
Du musst das schaffen, rief er sich zur Ordnung. Reiß dich zusammen! Du hast es ihr versprochen.
Er nahm das Essigtuch und tupfte die Wunde ab. Jetzt floss weniger Blut. Aber der Gestank … Ihm war übel. Er atmete flach durch den Mund.
Dann nahm er ein neues Tuch, tränkte es in der Essigschale und presste es fest auf die Wunde. Anschließend legte er der Ritterin einen straffen Verband an. Sofort sog sich das weiße Leinen voller Blut.
Hoffentlich hatte er alles richtig gemacht.
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