Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
ihnen zur Schau gestellt hast.«
»Mein Leib ist ein Geschenk Tjureds. Welchen Grund sollte ich haben, mich eines Gottesgeschenks zu schämen?«
Sie sprach mit einem Lächeln, doch der Erzverweser war sich bewusst, dass seine Worte den Weg zu den Kirchenfürsten von Aniscans finden würden, wenn er nun die falsche Antwort gab.
»Tjured beschenkt seine Kinder in unterschiedlichem Maße, so erprobt er ihren Charakter. Und jenen, denen reichlich gegeben wurde, steht Bescheidenheit gut zu Gesichte, damit die weniger Beschenkten nicht an der Gerechtigkeit Gottes zweifeln, Schwester.«
Sie lachte. Es klang aufrichtig. »Ich sollte dabei bleiben, den Feinden der Kirche mit dem Rapier in der Faust entgegenzutreten. Mit dem Stahl vermag ich zu bestehen. Im Wortgefecht bist du mir hoffnungslos überlegen, Bruder Erzverweser.
Ich werde deine empfindsame Seele nicht länger quälen und mich ankleiden.«
Ohne sich zu beeilen, ging sie den Laufsteg entlang zum Achterdeck. Die Ruderer verdrehten die Köpfe nach ihr. Charles spürte verärgert, wie ihm das Blut zwischen die Schenkel stieg. Noch bevor sie das Heck erreichte, war sie ganz im Nebel verschwunden.
Der Erzverweser folgte ihr mit einigem Abstand. Die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden hatten ihn erschöpft. Und er empfand das Verhalten der Komturin zunehmend befremdlich. Er war sich keineswegs sicher, dass dies alles nur aus der Neugier eines jungen Mädchens erwachsen war. Wie viel hatte Lilianne über Gishild gewusst? Hatte sie deren Neugier vielleicht am Ende gar fest eingeplant? Und welche Ziele verfolgte die Neue Ritterschaft? Die Art, wie die Komturin ihre Krieger an sich band, missfiel ihm. War sie eine Ausnahme, oder verhielten sich die anderen Würdenträger des Ritterordens ähnlich?
Lilianne hatte ein weißes Hemd übergestreift, als er das Achterdeck erreichte, sonst nichts. Charles seufzte. Sie war zwar nicht mehr nackt, aber ihr Anblick war nicht weniger aufreizend als zuvor.
»Ich dachte, du wolltest …«
»Dafür bleibt keine Zeit«, fuhr sie ihn an. »Glaubst du etwa, es sei vorüber? Wir sind noch nicht entkommen. Dass du keine Elfen mehr siehst, heißt gar nichts. Und solange das Gefecht nicht entschieden ist, habe ich keine Zeit, Rücksicht auf deine Phantasien zu nehmen. Die letzte Schlacht ist noch nicht geschlagen, Bruder Charles.«
ZWEIUNDVIERZIG!
Nachdenklich sah Fenryl zu der jungen Magierin hinab. Sie lag in Decken eingehüllt bei einem Feuer am Ufer. Ihr Nacken war auf ein großes, bronzenes Kanonenrohr aufgestützt. Das Geschütz war gewiss so schwer wie ein ausgewachsener Stier. Die Explosion hatte es mehr als hundert Schritt weit fliegen lassen. An zwei Stellen hatte sich etwas durch das Rohr gebrannt. Etwas, das so heiß gewesen war, dass die Bronze flüssig wie Wasser geworden war. Eine solche Macht hatte der Fürst allenfalls Königin Emerelle zugetraut. Auch Alathaia mochte früher einmal über solche Kräfte geboten haben. Aber dieses junge Mädchen … Hatte sie wirklich gewusst, was sie tat? Oder war es ihre blinde Wut gewesen, die Feuer und Eis entfesselt hatte?
Man hatte sie aus dem Eis geborgen. Sie war mehr tot als lebendig gewesen, als man sie ans Ufer brachte. Das Feuer schien auch sie ausgebrannt zu haben. Würde ihr Lebenswille verlöschen? Niedergeschlagen sah Fenryl sich um. Sie hatten einen hohen Blutzoll an die Ordensritter entrichtet.
Sigurd Swertbrecker, der Hauptmann der Mandriden, war der einzige überlebende Fjordländer. Er kauerte nahe dem Strand unter einer Eibe, hielt seinen toten König in den Armen und sang mit rauer Kehle ein Lied, das Fenryl trotz seiner urtümlichen Schlichtheit zu Herzen ging. Es handelte davon, dass sich die Überlebenden auf dem Schlachtfeld ihren toten Kameraden gegenüber wie Verräter fühlten. Davon, wie Luth, der Gott, den sie den Schicksalsweber nannten, junge, frisch verliebte Recken zu sich rief, während er verbitterten alten Recken, denen niemand mehr geblieben war, scheinbar
Unsterblichkeit schenkte. Fenryl hatte gesehen, wie Sigurd an Bord der Galeere mit einer Tapferkeit gefochten hatte, die an Selbstaufgabe grenzte. Doch ihn hatten weder Schwert noch Kugel gefunden. Er gehörte zu den wenigen Kriegern am Strand, die völlig unverletzt aus allen Kämpfen hervorgegangen waren.
Fenryl sah zu, wie die gefangenen Ruderer und Seeleute von Bord der Galeere gebracht wurden und über das Eis hinweg den Weg in die Gefangenschaft antraten. Ihre Wachen waren
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