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Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Wütend sah er zu der Statue der weißen Frau. »Du warst keine große Hilfe! Du …« Nein! Das durfte er nicht tun. »Entschuldige«, murmelte
er kleinlaut. »Ich wollte dich nicht beleidigen. Bitte, pass auf Schwester Michelle auf. Bitte …«
    Die Brust der Ritterin hob und senkte sich nicht mehr. Sie hatte aufgehört zu atmen! Ihr Mund klappte auf.
    »Nein!« Luc kniete sich hinter sie in die Mauernische und presste ihr beide Hände auf den Mund. Er wusste nicht genau, was geschah, wenn man starb. Er war nicht dabei gewesen, als Mutter von ihnen gegangen war. Auch den Tod seines Vaters hatte er nicht miterlebt. Und bei den anderen hatte er es nicht sehen wollen. Eigentlich hieß es, dass die Seele mit dem Rauch des Totenfeuers zum Himmel emporstieg. Aber er hatte auch schon einmal gehört, dass sie mit dem letzten Atemzug den Leib verließ.
    Er drückte der Ritterin noch fester die Hände auf den Mund. Ihre Seele durfte nicht gehen! Heiße Tränen rannen ihm über die Wangen. Und diesmal schämte er sich nicht, dass er weinte. Er war wieder allein. Er würde sie nicht gehen lassen!
    »Ich halte deine Seele fest, dann kannst du nicht sterben«, sagte er schluchzend. Er blickte zu der weißen Frau. Ihre Gesichtszüge schienen sich verändert zu haben. Sie wirkte traurig. »Hilf mir! Ich habe dir all meine Schätze gegeben. Du schuldest es mir!«
    Kaum waren die Worte über seine Lippen, da wurde ihm klar, wie wenig ihm die Radschlosspistolen und das Klappmesser eigentlich bedeuteten. Schwester Michelle war sein größter Schatz. Sie hatte ihn aus Lanzac fortgeholt.
    Sie hatte ihm ein neues Leben versprochen. Und nun war auch das schon wieder vorbei, bevor es eigentlich begonnen hatte.
    Das Gesicht der Ordensritterin fühlte sich ganz kalt an. Hatte er ihr zu spät den Mund zugehalten? Oder war ihre
Seele einfach zwischen seinen Fingern hindurchgeschlüpft? Hätte er dabei nicht etwas fühlen müssen?
    »Du wirst nicht sterben, hörst du?!« Vielleicht half es ihr, wenn er auf sie einredete. Ob ihre Seele ihn wohl hörte? Konnte man mit einer Seele feilschen? Oder ihr sogar drohen?
    »Du wirst nicht sterben, denn ich erlaube es dir nicht. Hörst du! Ich erlaube es nicht!«
    Seine Tränen hingen wie silberne Perlen im Haar der Ritterin.
    Er würde sie nicht loslassen. Und wenn sie tot war, dann würde er hier einfach sitzen bleiben, bis der Tod auch ihn holte.

DAS GESCHENK TJUREDS

    Es gab einen Ruck, der Bruder Charles fast von den Füßen riss, obwohl er darauf vorbereitet gewesen war. Die Raben in den Käfigen auf dem Achterdeck krächzten erschrocken und schlugen mit den Flügeln.
    »Pullt!«, rief Kapitän Alvarez den Ruderern zu. »Pullt, Männer! «
    Die zweihundertfünfzig Ruderer der Sankt Raffael legten sich in die Riemen. Ein scharfes Knirschen erklang unter dem Heck her, als sich der Rumpf der Galeere erneut auf das flache Eis schob.
    Charles blickte zurück auf die dunkle, mit Eisschollen gefüllte Furche, die sie hinter sich gelassen hatten. Keiner der
Elfen wagte es, ihnen zu folgen. Drei Schiffslängen noch, dann waren sie der tödlichen Falle entronnen.
    Wieder gab es einen Ruck. Jedes Mal, wenn der Rumpf sich ein Stück weit auf das Eis geschoben hatte, zerbrach es unter dem Gewicht der Galeere, die daraufhin plötzlich einsackte. Bersten und Splittern erfüllten die eisige Luft. Der Erzverweser Drusnas schritt über den Laufsteg zwischen den Ruderbänken hindurch zum Vordeck. Drei nackte Matrosen mühten sich damit ab, Schwester Lilianne aus ihrer Rüstung zu holen.
    Als das Knirschen der Eiskruste zu einem vielstimmigen Krachen anschwoll, begann er zu laufen. Gerade noch rechtzeitig erreichte er die Stiege hinauf zum Bugkastell über dem Kanonendeck. Mit beiden Händen hielt er sich am Geländer fest, als die Galeere erneut wegsackte. Die Sankt Raffael fraß sich durch den Eispanzer, so wie sich ein Vielfraß in den Kadaver eines Elchs wühlte.
    Sie würden entkommen! Und das war allein das Verdienst der Komturin.
    Einer der Matrosen öffnete die Schnallen von Lilianes Brustplatte. Sie lag reglos auf den Planken des Vorderkastells. Bruder Charles war überrascht gewesen, als Matrosen mit Seilen über Bord gesprungen waren, um die Komturin zu retten, die im dunklen Wasser versank. Kapitän Alvarez hatte keinen Befehl dazu gegeben. Bisher hatte Charles die Soldaten und Seeleute, die unter dem Kommando der Neuen Ritterschaft standen, nur für außergewöhnlich gehorsam gehalten und hatte

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