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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Gesicht, kein Glück, kein Entsetzen, keine Fröhlichkeit, ein reines weißes Nichts war das für einen Augenblick auf ihrem Gesicht, dann sammelte sie sich, und eine Mischung aus Höflichkeit und Staunen deckte die Leere.
    »Herr Holler«, rief sie, es sei eine Überraschung, ob er zufällig in der Gegend sei, so eine Überraschung, also nein und so weiter. Er aber schwieg, während ihr Gatte offensichtlich angestrengt Namen und Personen in seinem Gedächtnis sortierte, dann kollegial lächelte und ihm die Hand schüttelte.
    »Der Klavierlehrer«, sagte Tom am Ehemann vorbei, mitten in ihre Augen.
    »Natürlich.«
    Tom schwieg, mitten in ihre Augen. Sie aber fasste sich, stellte ihre Tüten neben sich auf den Erdboden, dann erhob siedie linke Hand – sie trug einen hellledernen Handschuh –, berührte eine Haarsträhne über der Stirn, als fiele ihr in diesem Moment ein bestimmter Sachverhalt wieder ein, und ganz so war auch ihr Tonfall, leicht, aber erstaunt, »nein«, rief sie, »aber natürlich!« Augen groß, rund. »Die CD, Sie wollten ja Ihre CD abholen! Einen Moment«, rief sie, stürzte ins Haus, ihre Tüten blieben verwaist an Ort und Stelle, und ihr Gatte, ebenfalls verwaist, Hände in den Taschen, dem Klavierlehrer gegenüber, begann einen Diskurs über das Wetter: Hochdruckgebiet über den Balearen, geringe Luftfeuchtigkeit, Berlin ohnehin kontinentales Klima, unter gärtnerischen Gesichtspunkten ein wenig Regen vonnöten, aber wer interessiere sich schon noch für die Natur? Welcher Städter? Kommen Sie vom Land? Wetter nur gut, wenn die Sonne scheint usw.
    Kaum zwei Minuten später stand sie in der Tür. Die Schubert-CD trug sie vor der Brust, sie strahlte. »Sofort gefunden, hier ist sie.« Die CD war noch eingeschweißt. Als sie sich entschuldigt hatte, denn sie erwarteten ja, wie sie sagte, nämlich Besuch für den Nachmittag, blieb der Gatte noch einen weiteren Moment bei ihm und scharrte nachdenklich ein wenig mit dem Fuß, irgendetwas schien ihn unangenehm zu berühren. »Tja dann«, sagte er, streckte die Hand aus, schüttelte die seine, wandte sich ab, aber auf halbem Weg blieb er nochmals stehen – »So sind sie, die Frauen«, sagte er, die Schultern hoben sich, senkten sich. »Sie spielt jetzt Cello, wissen Sie?« Er verdrehte die Augen, komplizenhaft, aber lächelnd, als könne man gar nicht anders, als ihr das Cellospielen zu verzeihen. Dann verschwand auch er. Und Tom, die CD in Händen, stand unterhalb der Treppe und blinzelte gegen das Haus, das sich in unerforschliche Stille gehüllt hatte. Rückwärts lief er den Kiesweg in RichtungGartentor entlang, kam vom Kurs ab, kam auf den Rasen, stolperte, am Tor aber hielt er inne, schleuderte die CD, die nie geöffnete, nie gehörte, zu Boden, trat mit dem Absatz, trat und drehte den Schuh, bis der Kunststoff brach.
    Anschließend ging er zu Bett. Er verbrachte lange Jahre im Bett, beobachtete, wie Wolken vor seinen Fensterkreuzen vorüberzogen, je nach Windstärke, schnell, mittel, langsam. Es musste ein sehr schöner Sommer sein. Kaum Regen. Einmal sah er, wie eine Wolke, rot hinterleuchtet vom bronzenen Abendhimmel, tief hängend, am Dach gegenüber feststeckte. Sie bewegte sich nicht, klemmte mitten im Himmel. Als es endlich weiterging, als sie kurz hinter der Mauer verschwand, dann im linken Fensterkreuz auftauchte, merkte er, dass etwas geschehen war, von dem er nie geglaubt hätte, dass es je geschehen könnte. Sein Schmerz war weg. Aus Gewohnheit oder aus Trauer über den verlorenen Schmerz weinte er noch ein bisschen, dann stand er auf.

DER LIEBESSCHEINWERFER
    Die Liebe, denkt Tom Holler im Aufwachen, ist ein Scheinwerfer. Sie leuchtet denjenigen an, der geliebt wird, setzt ihn in strahlendes vorteilhaftes Licht, und alles um ihn wird dunkel, unkenntlich, uninteressant. Nur der, der geliebt wird, steht auf einer Lichtinsel inmitten der Nacht. So wie der Mond vom Licht der Sonne erst zum Mond gemacht wird, so wird der Geliebte vom Liebenden gemacht. Und auch die Sonne wird erst zur Sonne, wenn wir, das Sonnensystem, sie betrachten, sie, die ohne uns nur ein Steinbrocken wäre, einer mit viel brennendem Helium, zugegeben, aber ein Steinbrocken wie Milliardenandere auch in diesem Universum. Erst wenn wir sie ansehen, wird die Welt zur Welt. Gott, was sind wir wichtig!
    Tom findet sich in einem Bett. Meeresrauschen. Diffuses Licht drängt durch die Jalousien, neben ihm liegt eine Frau, seine Hand in ihrer. Egal. Die Liebe, sie ist ein

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