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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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seineAugen hinab. Ohne ein Wort ging sie weiter, in den nächsten Saal, denn bis ins Dach hinauf gab es Säle, und dieser war erst der erste.
    Als er Stunden später auf den Hof in den Schatten der Orangenbäume trat, fühlte er sich schwach, er schwitzte, ließ sich auf ein Steinbänkchen sinken, schnappte nach Luft und öffnete mit zitternden Händen die obersten Knöpfe seines Hemdes. Er suchte nach Zigaretten. Immerhin hatte er diese Besichtigung überstanden, wie er schon alles Mögliche überstanden hatte in seinem Leben. Er rauchte und blickte ins schattige Grün der Orangenbäume. Tatsächlich leuchteten dort Orangen, was ihn erstaunte. Im Zentrum des quadratischen Innenhofs plätscherte ein bemooster Marmorbrunnen, und ein Grüppchen von Museumsmitarbeitern stand und rauchte und unterhielt sich auf Italienisch. Sie müssen einen sehr langweiligen Beruf haben, dachte Tom, langweilig, aber schön. Die erstaunlich frisch aussehende Maren setzte sich neben ihn, ihre Stirn zwischen den Augenbrauen war gekräuselt und ihr Blick auf seinen offenen Hemdkragen sorgenvoll, »alles in Ordnung?«, fragte sie und hatte offenbar ein schlechtes Gewissen wegen ihrer unmenschlichen Ausdauer, wegen ihrer Allwissenheit. Wahrscheinlich würde er aufgrund ihres schlechten Gewissens alles Mögliche von ihr haben können, dachte er, wenn er nur will, aber er weiß nicht, ob er will. Einerseits muss es nicht sein, dachte er sich, andererseits schadet es auch nicht, zumal nach Monaten absoluter Enthaltsamkeit, in denen eine Studentin der Bassklarinette und deren Ikeabett (worin sich nichts ereignet hatte außer Schlafen) die absoluten Highlights gewesen waren.
    Als sie später durch die dämmrige Stadt gingen, er neben seinemSaxofon spielenden Kollegen, vorn die beiden Frauen, stellte sich beiläufig heraus, dass ihr Zusammentreffen in der Theaterkantine sich keineswegs zufällig ereignet hatte, sondern eine von langer Hand Diedrichs geplante und eingefädelte Sache war, woraufhin die Sache, was immer damit im Einzelnen zusammenhing, in Hollers Augen nicht unbedingt attraktiver erschien.
    Beim Abendessen in einer kleinen Trattoria dachte er nicht weiter darüber nach. Sie tranken einigen Wein, es wurde gelacht, seine Kopfschmerzen verschwanden. Ab und zu, wenn er ihr den Parmesan reichte oder Wein nachschenkte, berührte er mit seiner Hand ihren Arm, wie aus Zufall, und vielleicht war es auch Zufall. Noch später berührte sein Knie unter dem Tisch ihr Knie, und wieder später, als sie vor der Tür standen und rauchten, da streckte er seine Hand plötzlich aus und berührte mit den Fingern eine Stelle knapp über ihrer linken Braue. Erstaunt sah sie zu ihm auf, dann zu Boden, rauchend, und warf schließlich die Zigarette fort, obwohl sie sie sonst bis zum Filter aufrauchte. Es kam in etwa zu folgendem Dialog:
    »Wir sollten das lassen.«
    »Was lassen?« Oft ist es das Einfachste, dachte Holler, zunächst den Ahnungslosen zu spielen. Das Einfachste muss außerdem nicht immer das Schlechteste sein.
    »Ich hab das Gefühl, dass du gar nicht da bist.«
    Schweigen, Anzünden einer Zigarette. Er gab ihr Feuer. Der Rauch ihrer beider Zigaretten traf sich zwischen ihnen auf halber Strecke. Er musste an das Glück denken, das er in der Nacht zuvor empfunden hatte, das er sich eingebildet hatte in seinem Kopf. Er fragte Maren: »Ist die Wirklichkeit wichtiger als der Kopf?«
    »Nein«, sagte sie. »Der Kopf ist ja die Wirklichkeit.«
    »Ich kann dir beweisen, dass ich da bin«, sagte er.
    Jetzt lachte sie. Sie nickte, schüttelte gleichzeitig den Kopf, so als verböte sie es sich. Während er sie von der Seite beobachtete, ihr helles Gesicht, das Haar, das an das Rot von Opernvorhängen erinnerte, stellte er sich vor, wie er den Haar-Vorhang beiseitenähme und ihr etwas ins Ohr flüsterte, am besten etwas Philosophisches, etwas in der Art von: Weißt du, warum Gott die Welt erschaffen hat?, stellte er sich vor, ihr zu sagen, und: Nein? Du weißt es nicht? Dann aber will ich es dir sagen. Nämlich Gott hat sich eines Morgens vom Himmel hinabgebeugt und hat in den Abgrund geblickt, wo ein düsteres Chaos war, und weil ihn gegraust hat und er es nicht ertragen konnte, hat er die Welt erschaffen, um das Chaos zuzudecken und um nicht allein zu sein. Damit aber hat er sein eigenes Todesurteil unterzeichnet, was ihm recht geschieht, denn er war ein Feigling, er hätte den Abgrund stehen lassen sollen, er hätte das Nichts ertragen müssen, genau

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